Susanne Bier ist bekannt dafür, dass sie in ihren Filmen dem Zwischenmenschlichen nachspürt, indem sie in zwar dramatischen, aber alltäglichen Situationen genau hinschaut und das Verhalten ihrer Figuren ergründet. Diesen Ruf hat sie sich neben „Brødre“ (2004) vor allem durch „Elsker dig for evigt“ („Open Hearts“;„Für immer und ewig“) erworben. Bei beiden Filmen stammt das Drehbuch von Anders Thomas Jensen.
Cecilie (Sonja Richter) und Joakim (Nikolaj Lie Kaas) sind glücklich miteinander und wollen heiraten. Eines Morgens geschieht jedoch ein folgenschwerer Unfall: Sie verabschieden sich voneinander im Auto, Joakim steigt aus, schaut noch einmal ins Auto zu Cecilie und wird angefahren. Unfallfahrerin Marie (Paprika Steen) hat sich gerade mit ihrer Tochter Stine (Stine Bjerregaard) gestritten, ist vor Wut zu schnell gefahren, hat den zur Fahrbahn aussteigenden Joakim nicht gesehen und erfasst. Es ist ein Unfall, an niemand oder alle schuldig sind, der aber das Leben aller Beteiligten und auch ihre Beziehungen zueinander verändert. Marie wird von Schuldgefühlen geplagt, ihre Tochter Stine glaubt sich ebenso verantwortlich, ist aber gefangen in den Ausbrüchen der Pubertät. Joakim überlebt, ist fortan aber vom Hals abwärts gelähmt und weigert sich, an der Verlobung mit Marie festzuhalten. Marie wiederum wird völlig aus der Bahn geworfen, sie ist allein, will Joakim unterstützen, er stößt sie jedoch ständig weg. Halt findet sie indes bei Maries Ehemann Niels (Mads Mikkelsen, der sich auf Bitten seiner Ehefrau um Cecilie kümmert.
Nach und nach brechen unterdrückte Konflikte und Sehnsüchte auf, zugleich aber sehen sich die Figuren mit der Frage konfrontiert, wie sie ihre Zukunft gestalten wollen. Dabei gelingt es Susanne Bier und Anders Thomas Jensen, das Verhalten der jeweiligen Figuren in ihrem Charakter zu begründen, so dass es zwar irritiert, aber stets innerhalb der Figur schlüssig ist. So will anfangs ihr schlechtes Gewissen beruhigen, indem sie Niels bittet, nach Cecilie zu sehen. Cecilie ist hingegen mit der Situation überfordert und gänzlich allein, deshalb nimmt sie Niels Unterstützungsangebot gerne an. Niels gefällt sich wiederum anfangs in der Rolle des selbstlosen Helfers, allerdings muss er sich schon bald eingestehen, dass er sich in Cecilie verliebt hat. Bereits zuvor haben sich in Niels Ehe in Gesprächen und Schweigen erste Risse gezeigt, deshalb ist Cecilie auch niemals die Verführerin, sondern lediglich diejenige, die ihn letztlich schmerzlich auf das Fehlende in seinem Leben aufmerksam werden lässt. Hierin zeigt sich Susanne Biers und Anders Thomas Jensens Gespür für das Alltägliche. Deshalb verhalten sich die Erwachsenen auch erwachsen: Sie reden über die Dinge – sei es das Verhalten der Tochter oder die Affäre –, sie streiten, weinen und schreiben, am Ende jedoch sind die Figuren mehr oder weniger bei sich selbst angekommen.
„Open Hearts“ ist Susanne Biers erster Dogma-Film, jedoch ist es weniger die Handkamera oder das Licht, das diesen Film auszeichnet. Diese Regeln verleihen ihm einen reduzierten, alltäglichen Stil, der gut zu der Geschichte passt und Anfang der 1990er Jahre im Gegensatz zu den oftmals glatt gebügelten Bildern ähnlicher Filme steht. Aus heutiger Sicht bemerkenswerter ist indes die Erzählweise, die sehr viel Nähe zu den Figuren ermöglicht, ohne Identifikation einzufordern. Ähnliches gelang zuletzt auch der norwegischen Regisseurin Iram Haq in ihrem Film „Jeg er din“, in dem eine junge Frau auf der Suche nach sich selbst und einem Leben für sich ebenso Fehler machen durfte wie Cecilie.