Er würde ohnehin niemals richtig zitiert werden – außer von einem Printjournalisten aus Trier. Daher werde ich gar nicht versuchen, über Harry Rowohlts Lesung am gestrigen Abend im Pantheon in Bonn wortgetreu zu berichten. Vermutlich würde ich ihn auch nicht richtig zitieren, obwohl es viele zitatwürdige Sätze gegeben hat. Immerhin wird Harry Rowohlt mit dem Sonderpreis 2011 des Prix Pantheon geehrt, weil er „vollmundig wie ein reifer Rotwein“ sei, eine „grandiose Bühnenpräsenz“ besäße und „ein Charakterkopf, der sich mit allen anlegt, die ihm dumm kommen“ sei, „einer, der keine Kompromisse“ mache. Dieser Auszug aus der Begründung der Jury des Prix Pantheon wurde von Rainer Pause vorgelesen – und er umreißt nicht nur die Erwartungen des Publikums an die Lesung, sondern im Rückblick auch den Abend als solches.
Schon Harry Rowohlts „Anschleimphase“ (hier ist nun doch ein Zitat, aber es ist nur ein Wort!) war mitreißend: Er erzählte von seinen frühen Aufenthalten in Bonn, einem Ausflug in die Poststraße, begründete seine Alkoholabstinenz und berichtete von einer Lektorin, die ihm die Bücher von Andy Stanton mit der Frage zusteckte, ob er sie nicht vielleicht übersetzen wolle. Harry Rowohlt fand sie nach wenigen Sätzen so gut, dass er wusste, er würde sie übersetzen, und tat es auch. Die „Mr. Gum“-Bände sind im Sauerländer Verlag erschienen – und nachdem Harry Rowohlt aus ihnen gelesen hat, werden sie sicherlich nicht nur von Kindern gekauft.
Ohnehin hat er für seine Verhältnisse viel gelesen, aus den bereits erwähnten Kinderbüchern, aus „Pooh‘ Corner“ und als unverlangte Zugabe aus dem Theatertext Knolls Katzen von Jan Neumann, der soeben bei dem Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor den Förderpreis für Komische Literatur erhalten hat. Jedem vorgelesenen Text hat Harry Rowohlt eine typische Stimme gegeben und mit einer grandiosen Betonung sowie Genauigkeit vorgelesen. Daneben hat der einst so treffend „Paganini der Abschweifung“ bezeichnete Rowohlt auch viel erzählt – Anekdoten von seinen Synchronisationsbemühungen beim Film und vom Vorbild der Stimme von I-Ah (80 Prozent Georg Lenz, jeweils zehn Prozent Peter Zadek und Hildegard Knef), drei Witze und allerhand Geschichten aus seinem Leben. Er parodierte, lästerte, verteilte Spitzen gegen vorlesende Schauspieler und sang. Ich hätte ihm noch ewig zuhören können. Aber dafür gibt es ja die von mir sonst gar nicht so geliebten Hörbücher.