Ich bin schon sehr lange unfassbar wütend. Über die „Flüchtlingspolitik“ Deutschlands und der Europäischen Union. Über die Gleichgültigkeit, mit der hingenommen wird, dass jeden Tag Menschen im Mittelmeer ertrinken – und ein europäisches Land ein Gesetz erlässt, das Helfer zu Mittätern macht. Über den mangelnden Willen, an der Situation etwas zu ändern und aus den Fehlern der Vergangenheit etwas zu lernen.
In den letzten Wochen ist diese Wut noch größer geworden. Angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der Politiker aller Parteien hinnehmen, dass seit Wochen private Initiativen Hilfeleistungen und Unterstützungen übernehmen, die Aufgabe des Staates wären. Angesichts des Schweigens der Politiker zu der Situation der Flüchtlinge und dem Hass, der diesen Menschen entgegenschlägt. Und angesichts der mangelnden Bereitschaft vieler europäischer Länder, Flüchtlinge aufzunehmen.
Zu der Wut kommt angeekelte Fassungslosigkeit – über den Bau einer Mauer in Ungarn. Über die Rhetorik populistischer Politiker und auch Medien, die von „Taschengeld“, „das Boot ist voll“ und einer „Flut“ von Flüchtlingen sprechen. Über die Weigerung, die Chancen, ja, die Notwendigkeit von Einwanderung zu sehen – und anzuerkennen, dass vor unseren Augen eine humanitäre Katastrophe stattfindet.
Ich bin froh, dass ich noch nie gezwungen war, meine Heimat, meine Familie und Freunde zu verlassen, mein Leben zu riskieren, um in Sicherheit zu sein. Eine Zukunft zu haben. Und ich finde es wichtig, das Wort zu ergreifen. Denn ich glaube nicht, dass tatsächlich eine Mehrheit in diesem Land gegen Flüchtlinge ist. Vielmehr schweigt sie. Deshalb ist es an der Zeit, dass es tatsächlich den „Aufstand der Anständigen“ gibt, den Anja Reschke in ihrem Kommentar verlangte.
Am Wochenende wurde von Karla Paul, Nico Lumma, Stevan Paul und Paul Huizing die Aktion #BloggerfürFlüchtlinge initiiert, mit der Spenden für den Verein „Moabit hilft“ gesammelt werden. Das Geld ist wichtig und notwendig. Es ist außerdem wichtig, das Schweigen zu brechen. Ich gebe gerne etwas ab von dem Überfluss, in dem ich (und wir alle) leben; ich teile gern die Sicherheit, die ich in diesem Land haben darf; und ich hoffe, dass viele von euch diesem Spendenaufruf folgen oder auf andere Weise Hilfe leisten und Stellung beziehen.
Ein Nachsatz: Ich glaube auch daran, dass Bücher und Filme, dass Kunst helfen, die Welt zu verstehen und zu einem besseren Ort zu machen; dass sie die Wahrnehmung verändern. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auf zwei Bücher hinweisen, in denen von Flucht erzählt wird: „Havarie“ von Merle Kröger und “Die Piroge” von Abasse Ndione (es wurde auch hervorragend verfilmt). In beiden wird von den Risiken der Flucht über das Mittelmeer eindringlich erzählt.
Ein zweiter Nachsatz: Wer lieber vor Ort helfen will, findet bei Wie kann ich helfen? Informationen über Projekte in verschiedenen Regionen