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Krimi-Kritik: „Abpfiff“ von Dominique Manotti

„Die erste Salve erwischt den Mann und die Frau von hinten, die Körper stürzen auf den menschenleeren Platz vor dem Einkaufszentrum.“ Mit diesem Satz beginnt Dominique Manottis grandioser Kriminalroman „Abpfiff“. Nach zwei Seiten steht fest, dass einer der Toten ein Polizist ist. Nach sechs Seiten sind die Täter überführt. Und nach 230 Seiten habe ich mehr über Drogenhandel, Geldwäsche, Korruption, Schwarzarbeit, Profifußball und, ach ja, einen Doppelmord erfahren als in manchen Büchern auf 500 oder 800 Seiten. Denn Dominique Manotti braucht keine Schnörkel, keine seitenlangen Ausführungen über politische Zustände oder die Seelenlage ihre Figuren. Ihr reicht ein kurzes sexuelles Intermezzo von Commissaire Daquin, um dessen Innenleben deutlich zu machen. Oder ein Moment des Aufwachens seines Kollegen im Kreis der Familie, um dessen Seelenzustand zu zeigen.

(c) Ariadne

(c) Ariadne

Schon immer hat Dominique Manotti eine klare Prosa geschrieben, aber in „Abpfiff“ sind ihre Sätze präziser und schnörkelloser als jemals zuvor. Sie spiegeln den Willen Daquins wider, diesen Fall unbedingt aufzuklären, das Adrenalin, das sein Körper antreibt – und die Anspannung, unter der alle Beteiligten stehen. Manottis Ermittler wollen das Richtige, akzeptieren aber, dass sie es nicht immer bekommen. Ihre Figuren werden von ihrem Ehrgeiz bis zur Impotenz getrieben, daneben wird viel Espresso gekocht, der der Ermittlungsarbeit dient und fast symbolisch die kurze, prägnante Arbeitsweise zusammenfasst, mit der die Drogenfahnder vorgehen. Aber Manotti braucht keine Symbole, denn sie hat diese Sprache, diesen Stil, diese Sätze, die einen unerbittlich voranjagen. „Apfiff” ist ein bitterer, scharfsinniger Rausch, in dem nur kurze Stelldichein mit Daquins Geliebten für einen Moment der eruptiven Ruhe sorgen.

Die oben zitierte Ermordung von Daquins Lieblingskollegen Romero ist nämlich nur der Ausgangspunkt dieses Romans. Er wurde zusammen mit einer jungen Frau erschossen, die die Schwester des Platzwarts vom FC Lisle-sur-Seine ist, einem Club am Rand eines Banlieue, der gerade auf dem Weg zur französischen Meisterschaft ist. Zu verdanken hat der Club seinen Aufstieg dem ruchlosen Ehrgeiz des Präsidenten Monsieur Reynaud, zugleich Bürgermeisters des Orts und Bauunternehmer. Nach und nach enthüllen sich immer mehr schmutzige Verbindungen und Machenschaften, die nur Romantiker verschrecken, die immer noch glauben, es gebe kein Doping im Fußball und eigentlich seien dort elf Freunde auf dem Platz, die nur ein wenig kicken wollen. Dennoch würde ich „Abpfiff“ zu gerne das Etikett „Fußball-Krimi“ aufdrücken, wohlwissend, dass noch kürzer greift als Etiketten ohnehin. Aber vielleicht lesen diesen fantastischen Kriminalroman dann einige der Fußballfans da draußen oder bekommen ihn geschenkt. Das wäre großartig, denn dieses Buch ist eindeutig einer der Krimi-Höhepunkte des Jahres.

Dominique Manotti: Abpfiff. Übersetzt von Andrea Stephani. Ariadne 2015.

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