Jedes Jahr kommt sie wieder, die ‚neue Erfolgskomödie aus Frankreich“. Meist verbirgt sich hinter diesem Etikett eine unterhaltsame, sehr gefällige Komödie wie „Willkommen bei den Sch’tis“ oder „Ziemlich beste Freunde“. In diesem Jahr wird „Paulette“ so beworben – und die Komödie von Jérôme Enrico fügt sich nahtlos in diese Reihe: Seit sie ihren Konditorladen schließen musste und ihr Mann starb, lebt die verbiesterte Paulette (Bernadette Lafont) allein in ihrer Wohnung in einer Hochhaussiedlung. Ihr Essen sucht sie sich schon einmal im Abfall zusammen, verzweifelt bemüht, den äußeren Anschein zu wahren. Zu ihrem Umfeld ist sie alles andere als nett, sie sich rassistisch und unfreundlich. Noch nicht einmal ihren eigenen Enkel Leo (Ismaël Dramé) mag sie – schließlich kann sie bis heute nicht verstehen, warum ihre Tochter (Axelle Laffont) ausgerechnet den afrikanischstämmigen Osman (Jean-Baptiste Anoumon) heiraten musste. Doch dann drohen Paulette ihre Schulden einzuholen, sogar ihr geliebter Fernseher wird gepfändet. Als ihr ein Päckchen Marihuana in die Hände fällt, kommt sie auf die geniale Idee, dass sie Drogen verkaufen könnte. Und tatsächlich hat sie Erfolg damit.
Die Idee, einen bisher unbescholtenen Bürger Drogen verkaufen zu lassen, hat einiges Potential – das zeigten schon die Serien „Breaking Bad“ und „Weeds“. Im Vergleich hierzu spart Regisseur Jérôme Enrico, der mit Bianca Olsen, Laurie Aubandel und Cyril Rambour auch das Drehbuch geschrieben hat, die gefährlichen Seiten weitgehend aus – zumal Paulette auch von harten Drogen die Finger lässt. Vielmehr konzentriert er sich auf das komödiantische Potential und seine famose Hauptdarstellerin Bernadette Lafont, die Paulettes grantigen Charme wunderbar spielt. Paulette spricht alles unverblümt aus, nimmt keinerlei Rücksicht auf die Gefühle ihrer Mitmenschen und Toleranz sowie Respekt liegen ihr fern. Das wird von Anfang deutlich: Nach einer Montage idyllischer Familienfotos und -videos wird Paulette bei der Beichte gezeigt, bei der sie sich vor allem über Ausländer auslässt, die ihr ihrer Meinung nach ihre Konditorei geraubt haben und das Leben schwer machen. Ihren Enkel nennt sie konsequent „Bimbolein“, dem Priester konstatiert sie, dass er es verdient hätte, weiß zu sein, und ihren Schwiegersohn ignoriert solange, bis sie seine Fachkenntnisse über das Drogengeschäft benötigt. Aber auch zu ihren Freundinnen ist sie nicht sonderlich nett, sondern redet die demente Ex-Mitarbeiterin konsequent mit „Alzheimer“ an. Als Paulette durch den Drogenhandel allerdings zunehmend Kontakte im Viertel bekommt und sich ihre finanzielle Situation verbessert, kehrt auch ihre Lebensfreude zurück. Und diese Wandlung verkörpert Bernadette Lafont, die ihre Karriere bei Claude Chabrol begann, glaubwürdi und mit mitreißender Spielfreude.
Zudem verweist Jérôme Enrico mit seinem Film auf aktuelle Probleme: Paulette ist im Alter arm. Sie verfügt nur über die Mindestrente und kann sich daher noch nicht einmal das Leben in einem offensichtlich sozial schwachen Viertel am Rande von Paris leisten. Daneben deutet der Film die sozialen Spannungen an, die es in den banlieues gibt. Doch trotz dieser ernsten Zwischentöne bleibt „Paulette“ eine Komödie, die vor allem auf Humor jenseits jeglicher political correctness setzt. Am Ende überdreht Jérôme Enrico die Verwicklungen und alles fügt sich auch etwas zu mühelos zusammen. Spaß bereitet „Paulette“ aber in jedem Fall.
Der Film läuft am 18. Juli in den deutschen Kinos an.
Ein ganz großartiger Film! Absolut überzeugende Darsteller und einfach ein witzige Geschichte. Find ich super, dass du drüber schreibst 😉