Bislang steht diese Buchmesse für mich im Zeichen der Österreicher. Über Clemens Johann Setz habe ich gestern schon geschrieben, Arno Geiger ist ohnehin allgegenwärtig (und sieht sich stets einem nickenden Publikum gegenüber) und die Höhepunkte meines zweiten Buchmessetages verdanke ich ebenfalls zwei Österreichern: Heinrich Steinfest und Thomas Glavinic.
Besser als mit einem Gespräch von Denis Scheck und Heinrich Steinfest kann ein Tag kaum starten. Sie sprachen bei der ARD über Steinfests neues Buch „Wo die Löwen weinen“, Stuttgart 21 und Engagement, es war witzig, kurzweilig und unterhaltsam. Darüber hinaus hat Steinfest aber unter Beweis gestellt, dass ein Autor zu politischen Themen Stellung nehmen kann, vielleicht sogar sollte. Über sein Buch, das auch den nächsten Beitrag in der Reihe „Steinfest und der Film“ bilden wird, habe ich bereits in dem Blog von LovelyBooks recht ausführlich geschrieben. Daher will ich mich hier kurz fassen: „Wo die Löwen weinen“ ist ein guter, amüsanter und herrlich parteiischer Roman über das mörderische Vorhaben Stuttgart 21.
Wer den Tag mit einem österreichischen Autor beginnt, sollte ihn auch mit einem beenden! Daher habe ich mich gegen die dtv-Lesenacht und für die Lesung von Thomas Glavinic entschieden – und ich glaube, es war eine gute Wahl. Obwohl diese Veranstaltung in den wenig gemütlichen Räumen der Buchhandlung Lehmann stattfand und die Stühle viel zu eng standen, waren Lesung aus und Gespräch über „Lisa“ sehr kurzweilig. Besonders bemerkenswert war, dass mir „Lisa“ beim Hören fast besser gefallen hat als beim Lesen. Ich bin zwar alles andere als ein Hörbuch-Freund, aber bei diesem Roman würde ich eher zu dem Hörbuch raten.
Die Konzeption von „Lisa“ bietet diese Rezeption eigentlich ideal an: Der Roman ist ein Monolog des Ich-Erzählers, der sich in einer Berghütte vor der vermeintlichen Killerin „Lisa“ versteckt. Dort spricht er jeden Abend seine Internet-Radiosendung, um nicht völlig dem Wahnsinn anheim zu fallen. (Auch wenn man das – wie ich unlängst ausgeführt habe – auch anders deuten könnte.) Beim Hören dieses Monologes fallen sofort die Vorzüge auf: der Witz, die kurzweiligen Beobachtungen, der markante Stil. Kritikpunkte rücken hingegen in den Hintergrund, dazu gehören vor allem die kaum ausgeführten Nebenfiguren und die vielen Blindstellen in der Handlung, die durch den Abbruch der Mikrofon-Verbindung hervorgerufen werden. Beim Hören konzentrierte ich mich aber voll auf den Erzähler, so dass mir diese Aspekte weniger auffielen. Dadurch lag meine Aufmerksamkeit auch weniger auf der Krimihandlung als auf den Ansichten des Erzählers. Das hat Thomas Glavinic nach eigenem Bekunden intendiert, allerdings hatten mich beim Lesen vor allem die Auswirkungen des vermeintlich reinem Bösen, das dem Ich-Erzähler begegnet, interessiert. Dem Willen des Autors, der – so sagte er – in seinen Geschichten die Wirklichkeit abbilden wolle, kommt das Hörbuch also näher.
Für den zweiten Buchmesse-Tag war diese Lesung ein runder Abschluss, der dritte Tag wird dann aber ganz und gar unösterreichisch. Dazu aber morgen mehr …