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Zur Vorbereitung meines Besuchs bei der Leipziger Buchmesse habe ich unter anderem „Lisa“ von Thomas Glavinic gelesen und bin gleich im Umschlagtext über eine denkwürdige Parallele gestoßen. Dort wird aus dem Buch zitiert, dass sich der Ich-Erzähler „wie Jack Nicholson in diesem Film (fühle), wo er durchdreht, allein im Hotel mit der Frau und dem Kind, nur dass hier heißer Sommer ist und keine Frau und ich nicht durchdrehe.“ Denkwürdig ist dieses Zitat nun in dem Sinne, dass ich vor kurzem erst „Gewitter über Pluto“ las, in dem Heinrich Steinfest eine seiner Figuren in die „Timberline Lodge“ reisen lässt. Jenes Hotel, das Vorbild für das „Overlook Hotel“ in dem King-Roman bzw. Kubrick-Film „Shining“ war. Nun ist „Shining“ sicherlich kein filmischer Geheimtipp und auch das „Overlook Hotel“ zählt eher zu bekannten Orten der Filmgeschichte, daher ist es an sich nicht so verwunderlich, dass sich beide Autoren auf dieses Hotel beziehen. Interessant ist aber, welch unterschiedliche Assoziationen in dem Roman damit verbunden sind – und wie verschiedenen dadurch auch die Interpretationen dieser Anspielung ausfallen.
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Für Steinfest ist das Hotel vor allem ein populärer Ort, an dem schon einmal merkwürdige Dinge geschehen sind – und nun wieder stattfinden. Darüber hinaus erweitert Steinfest mit diesem Ort aber auch die Interpretationen für seinen Roman und den Film, indem er mit dem Wahnsinn der Hauptfigur, dem vermeintlich rationalen Erklärungen und Weltsichten spielt. Dazu habe ich gestern einen Beitrag veröffentlicht, deshalb nun zu Glavinic.
Bei ihm liegt der Fall anders: In „Lisa“ verbindet der Ich-Erzähler mit seinem Vergleich weniger den fiktiven bzw. realen Ort, sondern um das Hotel als Sinnbild der Vereinsamung und daraus resultierendem Wahnsinn. Der Ich-Erzähler hat sich mit seinem Sohn aus Angst vor der Serienmörderin Lisa in eine einsame Berghütte zurückgezogen, sein einziger „Kontakt“ zur Außenwelt besteht in der Sendung, die er per Internet überträgt und deren Zeuge wir werden. Aber der Ich-Erzähler ist nicht nur notorisch unzuverlässig, sondern seine Erzählströme reißen aufgrund eines wackligen Mikrofonkabels ständig ab. Dadurch gibt es viele Lücken und Blindstellen in der Erzählung, die der Leser füllen muss. Die Geschichte wirkt – und nicht nur aufgrund des maßlosen Koks- und Alkoholkonsums des Erzählers – wahnhafter, daher schwebt stets die Frage mit, ob der Ich-Erzähler seinen Verstand verloren hat. Zumal es keinen weiteren Zeugen gibt. Sein Sohn, die einzig angeblich anwesende Nebenfigur, tritt kaum in Erscheinung, bleibt blass und wird nicht weiter ausgeführt. Der Ermittler, mit dem er Lisas Taten verfolgt, ist unauffindbar. Selbst das Schicksal der Frau des Erzählers bleibt ungewiss. Daher bleibt der Leser nach dem abrupten Ende mit seinen Interpretationen zurück.
Auch bei „Shining“ gibt es viele Erklärungen für den Jack Torrances Wahnsinn: Einsamkeit, eine dämonische Macht des Hauses, eine Zeitschleife etc. Ist der Erzähler in „Lisa“ ist nun ebenfalls eine Jack-Torrance-Figur, ergäben sich einige Gemeinsamkeiten: Anstatt immer denselben Satz in die Schreibmaschine zu tippen, verbreitet er fast wahnhaft seine Lebensweisheiten. Um seinen Sohn sorgt er sich anfangs, später wird er zunehmend zu einer Belastung. Auch merkt er, dass ihm seine Einsamkeit nicht gut bekommt, er ist aber nicht gewillt, diese Isolation zu durchbrechen. Der Grund wäre einfacher auszumachen als bei Torrance: Vermutlich hat den Ich-Erzähler sein Wissen um den Verlust der Sicherheit und der Existenz des Bösen in den Wahnsinn getrieben. Vielleicht mache ich es mir aber mit dieser Interpretation auch zu einfach. Wäre der Ich-Erzähler nicht wahnsinnig, müsste ich ja die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass es derart abgrundtief Böses überhaupt gibt.