Der Wind weht ständig im Hochmoor von Yorkshire, er streift über die Weiten der Landschaft. Hierin bringt der Gutsherr Earnshaw (Paul Hilton) eines Nachts ein Findelkind, das er auf der Straße aufgelesen hat, und gibt dem Jungen, den er auf den Namen Heathcliff (Soloman Glave/James Howson) taufen wird, auf seinem Gutshof Wuthering Heights ein Dach über dem Kopf. Außerdem verlangt er von seinen Kindern Hindley (Lee Shaw) und Catherine (Shannon Beer/Kaya Scodelario), sie sollen ihn als ihren Bruder akzeptieren. Während Hindley ihn ablehnt, findet Cathy in Heathcliff einen Seelenverwandten. Sie genießen ihren Zweisamkeit, durchstreifen das Moor und lassen sich den Wind um die Nase wehen.
Andrea Arnold bricht in ihrer filmischen Adaption die Dialoge der literarischen Vorlage von Emily Brontë auf eindrucksvolle Bilder hinunter, in denen die Natur die Entwicklung zwischen ihnen widerspiegelt. Dabei weicht sie von der Romanvorlage anfangs gut ab. Im Film kommt Heathcliff nicht mit ungefähr sechs Jahren zu den Earnshaws, sondern ist schätzungsweise zwölf oder 13 Jahre alt. Dadurch fehlt die gemeinsame Kindheit, vielmehr ist die Beziehung von Anfang an mit Begehren konnotiert – anfangs zögerlich, später deutlicher. Dass er dunkle Hautfarbe hat, wurde in zahllosen Besprechungen angesprochen. Allerdings verweist schon Michael Kienzl in seiner Kritik darauf, dass bei Brontë von einem „a dark-skinned gypsy“ gesprochen wird, in meiner dtv-Ausgabe steht, das Kind sei „so schwarz (…), als käm’s vom Teufel“. Nichtsdestotrotz wird sogar vermutet, Heathcliff sei mit einem Schiff nach England gekommen, so dass die unbekannte Abstammung in dem Roman ein Klassenkonflikt, im Film aber ein Rassenkonflikt ist. Diese Verschiebung erlaubt Andrea Arnold, sich stärker auf den Kern der Geschichte – die von der Gesellschaft abgelehnte Beziehung von Catherine und Heathcliff – zu konzentrieren, da sie die Gesellschaft auf die Arbeiter auf Wuthering Heights und das Haus der Lintons begrenzen kann.
Als der alte Earnshaw verstirbt, übernimmt Hindley den Gutshof und degradiert Heathcliff zu einem Arbeiter. Er „behandelt ihn wie einen Hund“, merkt Catherine an einer Stelle des Films an, und dadurch verändert sich auch ihr Verhalten gegenüber ihren Jugendfreund – zumal sie bei der wohlhabenden Familie Linton gewohnt und sich dort allmählich weg von der Natur zu einem kultivierten Mädchen entwickelt hat. Als ihr Edgar Linton einen Heiratsantrag macht, erkennt sie, dass diese Ehe ihr Aufstieg und Ansehen verspricht, während eine Ehe mit Heathcliff sie „herabwürdigen“ würde. Als Heathcliff diese Aussage Cathys hört, verlässt er Wuthering Heights – und kehrt nach Jahren als wohlhabender Mann zurück. Nun entlädt sich der Konflikt zwischen Heathcliff und Catherine. Zwischen ihnen gibt es zu viel Gefühl und Unausgesprochenes, so dass aus der Verbundenheit eine Hassliebe wurde. Innenperspektiven sind dabei vor allem durch die beeindruckenden Bilder zu erhalten, die Regisseurin Andrea Arnold und Kameramann Robbie Ryan finden. Beispielsweise wird bei Heathcliffs erster Ankunft ein Ast gezeigt, der vehement ans Fenster schlägt, fast so als würde er in diese Familie ebenso einbrechen wollen wie Heathcliff. Dadurch wird bereits seine düstere und stürmische Leidenschaft angedeutet, die durch die Behandlung von Hindley, die Demütigungen, den Rassismus und die mehrfache Zurückweisung Cathys weiterhin befeuert wird. Und es gibt zahllose weitere Bilder, die leitmotivisch wiederholt werden – darunter ein fliegender Kiebitz, der für Catherines Ursprünglichkeit steht. Durch diese naturalistische Herangehensweise gelingen Andrea Arnold eine sentimental-melodramatische Stimmung und eine sehr ausgeprägte Bildsprache, doch einige Bilder werden zu oft wiederholt und wirken mitunter auch prätentiös. Dadurch entstehen zudem Längen in dem ohnehin sehr ruhig und konzentriert erzähltem Film, und es ist fast schon zu viel Atmosphäre – zumal durch die betonte Natürlichkeit auch ein Teil der Erhabenheit der Geschichte verloren geht.
Andrea Arnolds „Wuthering Heights“ ist insgesamt eine interessante Neuinterpretation des Romans. Sie behält konsequent die Perspektive Heathcliffs bei, und die gesamte zweite Generation – in Brontës Roman zentral – fällt in dem Film weg. Dadurch reduziert sie den Klassiker inhaltlich sowie inszenatorisch auf eine Liebesgeschichte, die in Hass umschlägt, und beweist, dass es heutzutage neue Wege der Annäherung an bekannte Stoffe gibt. Dennoch vermute ich, dass der Film ohne Kenntnis der Romanvorlage und auch einiger Adaptionen einen Teil seines Reizes verliert. Ohne den Hintergrund bleibt eben nur diese Liebesgeschichte – und manche Anspielungen im Bild – wie beispielsweise auf Hindleys Sohn – haben keinen Bezug im Plot.
Die Bilder in Andrea Arnolds „Wuthering Heights“ sind beeindruckend und die Schauspieler sind überzeugend. Doch insgesamt fehlte mir aufgrund des Naturalismus des Films die Wucht der literarischen Vorlage. Ein guter Film ist „Wuthering Heights“ aber dennoch.
Der Film erscheint am 14. Februar auf DVD.