Gestern Abend habe ich die Verleihung des Europäischen Filmpreises im Livestream verfolgt – und kann trotzdem kaum etwas über die Show sagen. „Buffering“ war vielmehr das Wort des Abends, denn der Stream brach ständig ab und nur selten passten Bild und Ton zusammen. An meinem WLAN lag es nicht, denn von Trier bis Finnland beschwerten sich auch andere Zuschauer via Twitter. Vielleicht haben die Verantwortlichen nicht mit so viel Resonanz gerechnet, allerdings zeigt mir ein Blick auf die heutige Übertragung der British Independent Film Awards wie man es auch machen kann. Dort gibt einen bisher zuverlässigen Stream, direkt neben dem Bild ein Fenster mit verschiedenen Social-Media-Kanälen (Chat, Facebook, Twitter) – und die Ankündigung, dass einige „sober Tweeters“ die Resultate live twittern.
Darüber hinaus leidet der Europäische Filmpreis auch ein wenig unter dem Zeitrahmen der nominierten Filme. So konnten in diesem Jahr Filme vorgeschlagen werden, die nach dem 1. Juli 2010 ihre Premiere feierten, die Deadline war der 15. Juni 2011. Somit befanden sich unter den Kandidaten für den „besten europäischen Film 2011“ „The King’s Speech“ und „In a better World“, die bestens von der Oscarverleihung bekannt sind, aber auch die Cannes-Filme „The Artist“ und „Le gamin au vélo“, die hierzulande noch gar nicht im angelaufen sind. Vielleicht sollte die Preisverleihung etwas früher im Jahr stattfinden, denn so war es doch etwas irritierend, dass abermals Colin Firth für „The King’s Speech“ ausgezeichnet wurde. In Anbetracht der jüngst begonnen amerikanischen Award-Season war ich voll auf Jean Dujardin konzentriert.
Aber nun zu der Verleihung und den Gewinnern. Mein Höhepunkt war die Rede von Stephen Frears, der einen Ehrenpreis bekam. Er war witzig, spontan und charmant. Bei den Preisträgern gab es meines Erachtens nur die Überraschung, dass Susanne Bier als beste Regisseurin ausgezeichnet wurde, „Melancholia“ aber als bester Film geehrt wurde. Ohne Susanne Biers Leistung in Abrede zu stellen, kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass die European Film Academy wohl einfach nicht Lars von Trier auszeichnen wollte.
Die Gewinner im Überblick:
Europäischer Film 2011: „Melancholia
Europäischer Regisseur: Susanne Bier für „Hæven“ („In a Better World“
Europäische Schauspielerin: Tilda Swinton in „We need to talk about Kevin“
Europäischer Schauspieler: Colin Firth in „The King’s Speech“
Europäischer Drehbuchautor: Jean-Pierre und Luc Dardenne für „Le gamin au vélo“ („The Kid with a Bike“
Carlo di Palma Europäischer Kamera Preis: Manuel Alberto Claro für „Melancholia“
Europäischer Schnitt: Tariq Anwar für „The King’s Speech“
Europäisches Produktionsdesign: Jette Lehmann für „Melancholia“
Europäischer Komponist: Ludovic Bource für „The Artist“
Europäische Entdeckung: „Adem“ („Oxygen“) von Hans Van Nuffel
Europäischer Dokumentarfilm – Prix ARTE: „Pina“ von Wim Wenders
Europäischer Animationsfilm: „Chico & Rita“ von Tono Errando, Javier Mariscal und Fernando Trueba
Europäischer Kurzfilm: „The Wholly Family“ von Terry Gilliam
Europäischer Ko-Produktionspreis 2011 – Prix Eurimages: Mariela Besuievsky
European Achievement in World Cinema: Mads Mikkelsen
European Film Academy Lifetime Achievment Award: Stephen Frears
European Film Academy Special Honorary Award: Michel Piccoli
People‘s Choice Award: „The King’s Speech“