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Krimi-Kritik: „Zwei Leben“ von Tania Chandler

Ach ja, man kennt sie ja, diese psychologischen Thriller mit einer Ehefrau, die sich irgendwie nicht richtig an irgendetwas erinnern kann und dann gerät ihr Leben aus den Fugen. Dachte ich. Aber irgendwann sagte ich mir auch mal, dass ich bei australischen Spannungsromanen nun wirklich einfach mal alles lesen könnte, was übersetzt erscheint und damit hätte ich dann ein weiteres Land, in dem ich mich gut auskenne. Wie Irland. Oder Finnland. Oder irgendwann hoffentlich mal Frankreich. Also nahm ich Tania Chandlers „Zwei Leben“ mit in den Urlaub – und erlebte einen unfassbar aufregenden Spannungstrip. Denn „Zwei Leben“ ist eines jener berühmt-berüchtigten Bücher, die man anfängt und dann in einem Rutsch durchliest.

(c) Suhrkamp

Erzählt wird die Geschichte von Brigitte, die mittlerweile mit einem Polizisten verheiratet ist, zwei Kinder hat und eigentlich ein recht bürgerliches Leben in Melbourne führt. Wären da nicht die Arbeitszeiten ihres Mannes, ihre Neigung zum Alkohol und die Tatsache, dass sie einst einen Unfall überlebt hat, sich aber an vieles, was vorher war, nicht erinnern kann. Sie weiß nur, dass sie etwas mit einem Mord zu tun haben könnte und reagiert daher sehr nervös, als sie erfährt, dass eine Einheit für ungeklärte Fälle die Ermittlungen wieder aufgenommen hat. Weiterlesen

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„Die Verlobung“ von Chloe Hooper

„Es begann mit einem Brief, den er mir schrieb, abgeschickt in jenem April an die Adresse der Immobilienagentur meines Onkels. Ein dicker elfenbeinfarbener Umschlag mit meinem Namen darauf in eleganten Typen. Seine Annäherungsversuche hatten immer etwas zu Förmliches, als würde dieser Mann seine Absichten sogar vor sich selbst verbergen.“

(c) Liebeskind

(c) Liebeskind

Alexander Colquhoun umgibt etwas Geheimnisvolles, das anziehend und beängstigend wirkt. Bereits seit einigen Monaten trifft sich Liesel – die Erzählerin – mit ihm in wechselnden Wohnungen, zu denen sie als Immobilienmaklerin Zugang hat. Sie lässt ihn in dem Glauben, sie sei eine Prostituierte, es ist für sie Teil ihres erotischen Spiels – und mit dem Geld kann sie ihre Schulden abbezahlen. Vielleicht gelingt ihr dann endlich der Neuanfang, von dem sie bei ihrem Umzug von England nach Melbourne geträumt hat. Dort hat sie im Zuge der Finanzkrise ihren Job verloren, außerdem wollte sie in einer neuen Umgebung alten Schwierigkeiten aus dem Weg gehen. Doch auch in Melbourne wird sie nicht sesshaft und will weiter nach Shanghai ziehen. Als Alexander von ihrer bevorstehenden Abreise erfährt, lädt er sie auf sein verlassenes Landhaus ein. Es grenzt an einen Nationalpark und erinnert mit seinem verfallen-verwunschenen, morbiden Charme an Manderley – und Bates Motel. Auch Alexander hat sowohl Seiten von Maxim de Winter als auch Norman Bates. Je länger Liesel dort bleibt, desto gefangener fühlt sie sich. Sie spürt die Schatten anderer Frauen und von Alexanders Mutter, und ihr dämmert, dass Sex doch nicht so ein guter Weg ist, sich kennenzulernen, wie es nach ihrer Aussage andere Leute glaubten. Schon bald weiß sie nicht mehr, ob sie sich in ihrer Rolle befindet oder das Spiel längst in die Realität übergangen ist.

In „Die Verlobung“ inszeniert Chloe Hooper ein faszinierendes Spiel zwischen zwei Charakteren, in denen der Leser von Anfang an Liesels Perspektive unterworfen ist und sich somit auf ihre Wahrnehmung und Einschätzung verlassen muss. Anfangs erscheint die Ausgangslage klar, jedoch stellen sich bald erste Störungen ein, die zunächst an Alexander, dann an Liesel zweifeln lassen. Mal ist Alexander ein unbeholfener Farmer, dann schlachtet er bestialisch einen Schwan ab. Vielleicht ist er schizophren oder ein Soziopath. Doch lässt sich Liesel sehr bereitwillig immer wieder auf ihn ein, auch ihre Wahrnehmung scheint getrübt. Sie könnte eine Prostituierte oder Nymphomanin sein, die sich ihre Sucht nicht eingesteht. Wohl dosiert sind die Wendungen, die die Handlung nimmt, dadurch gerät zudem aus dem Blickwinkel, dass sich ja alles doch als das Spiel entpuppen könnte als das es einst angefangen hat. Die Frage ist nur – wann genau. Sicher ist daher am Ende dieses raffinierten Romans rein gar nichts.

Chloe Hopper: Die Verlobung. Übersetzt von Michael Kleeberg. Liebeskind 2014.

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