Shots 02/2016

(c) Heyne Hardcore

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Offensichtlich lehnt sich Gregor Webers „Asphaltseele“ an zahllose noir und hardboiled-Stoffe an. Sein Protagonist Ruben Rubeck ist kinderloser Kommissar, geschieden, hat keine Ambitionen, raucht, trinkt, lebt im Frankfurter Rotlichtmilieu und gerät dann durch einen Zufall in eine Geschichte, die mit dem Bosnienkrieg, GSG9 und organisierter Kriminalität zusammenhängen. Erzählt wird alles in Ich-Perspektive, so dass Rubeck häufig Gelegenheit hat, seinen harten, desillusionierten, aber dennoch gewitzten Kern zu zeigen. Jedoch wird insgesamt zu sehr betont, wie anders Ruben Rubeck sein soll, so dass die im Grunde spannende Handlung auf der Strecke bleibt, auch fehlt dem begrüßenswerten Versuch, „harte“ deutschsprachige Kriminalliteratur die Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit.
Hingewiesen sei zudem auf einen Fehler in einem auch in Rezensionen viel zitierten Beispiel: Eines Abends schaut Rubeck „The Maltese Falcon“ auf DVD. „Bogart und Bacall. So weit das Kulturprogramm“. Aber dieser Film ist nicht mit Lauren Bacall, sondern mit Mary Astor. Nun wäre das ein Detail. Aber auf den folgenden Seiten wird dieser Film zu einer Analogie, da Rubeck auffällt, dass Bogart in diesem Film eine andere Waffe trägt als in „The Big Sleep“ und die Waffe zum Unterscheidungsmerkmal von Spade und Marlowe wird.

Gregor Weber: Asphaltseele. Heyne Hardcore 2016.

(c) btb

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Bereits Melanie Raabes „Die Falle“ war ein spannender Psychothriller, der ein begrenztes Figurenensemble und wenige Schauplätze hatte, mit „Die Wahrheit“ greift sie diese Tugenden nun wieder auf: Vor sieben Jahren ist Sarahs Ehemann Philipp von einer Reise in Südamerika nicht mehr zurückgekehrt. Als Sara langsam mit einem neuen Leben beginnt, erhält sie Nachricht, ihr Mann wurde gefunden. Aber bei der Ankunft am Flughafen erkennt sie entsetzt, dass dieser Mann nicht ihr Ehemann ist.
Sicherlich gibt es einige Längen, ein unnötiges Kapitel zu Philipps Inneneinsichten und redundante Beschreibungen von Sarahs Gefühlsleben, insgesamt aber werden die Zweifel an den Absichten des zurückgekehrten Mannes, dem Zustand der angeblich einst so glücklichen Ehe und schließlich auch an Sarah sehr geschickt ausgespielt.

Melanie Raabe: Die Wahrheit. btb 2016.

(c) Rowohlt

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Die Region um das australische Örtchen Kiewarra leidet uner der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten, der Verlust der Ernte droht, das Vieh der Farmer stirbt, die Menschen fürchten um ihre Existenz. Dann werden die Leichen des Farmers Luke Harder, seiner Frau Karen und seines Sohnes Billy erschossen aufgefunden, erweiterter Suizid lautet die Erklärung. Aber Lukes Eltern, sein Jugendfreund Aaron und der neue örtliche Polizist Sergeant Raco zweifeln an diesem Tathergang.
Jane Harper hätte am Ende nicht so lang und so ausführlich alle Vorgänge insbesondere der Vergangenheit aufklären müssen, aber sie setzt das Muster von einem Rückkehrer, der mit alten Geheimnissen und falschen Verdächtigungen konfrontiert wird, gerade für eine Debütautorin geschickt ein und ihre Schilderung einer unter der Hitze ächzenden Kleinstadt ist sehr gelungen.

Jane Harper: The Dry. Übersetzt von Klaus Timmermann, Ulrike Wassel. Rowohlt 2016.

(c) Steidl

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Patrick McGinleys Roman mit Mörder „Bogmail“ ist eine sehr schwarzhumorige Geschichte aus Irland Ende der 1970er Jahre, in der der Pubbesitzer seinen Bierzapfer loswerden will und anschließend erpresst wird.
Mit sehr lebendigen Schilderungen des Lebens auf dem Dorf und der Landschaft, vergnüglichen Seitenhieben auf die katholische Kirche und eigenwilligen, originellen, lebensechten Charakteren sorgt das Buch für treffliche Unterhaltung. In Anbetracht des Ersterscheinungsjahrs 1978 verblüfft dieser Klassiker der irischen Kriminalliteratur darüber hinaus mit dem progressiven Verhalten so mancher Frauen und der Offenheit der Kritik an der katholischen Kirche.

Patrick McGinley: Bogmail. Übersetzt von Hans-Christian Oeser. Steidl 2016.

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