Es ist ein klassischer hardboiled-Beginn: Eine hübsche Frau sucht einen Privatdetektiv auf, um ihm einen Auftrag zu geben, der ihn in die Bredouille bringen wird. Denn natürlich ist diese Frau ebenso hübsch wie falsch. Bei J.M. Redmann ist der Privatdetektiv allerdings eine Frau – und lesbisch noch dazu. Michele Knight ist ihr Name, an der Tür steht nur M. Knight, ihre Freundinnen nennen sie Micky. Sie lebt und arbeitet in New Orleans, kommt aus den Bayous und ist gerade noch hell genug, um als weiß durchzugehen. Der Auftrag, den sie von der hübschen Fremden erhält, bringt sie in Kontakt mit einer reichen Familie, auf deren Grundstück mit Drogen gehandelt werden soll – und natürlich in große Gefahr.
Nicht nur im Plot, auch im Stil lehnt sich J.M. Redmann an Chandler an: Klare, knappe Sätze, lakonische Bemerkungen und Sprüche. Dabei wirken die fiebrigen, sumpfigen, genauen Beschreibungen zugleich fast wie Vorläufer von Sara Grans Bild von New Orleans in „Die Stadt der Toten“. Auch in ihrem Verhalten, lieber zu trinke als sich den Problemen zu stellen, passt Redmanns Mick gut zu den Marlowes und Spades dieser Krimi-Welt. Jedoch stellt sich schnell heraus, dass sie weitaus mehr psychologisches Potential hat – und ohne dass es allzu sehr ausgestellt wird, zeigt sich nach und nach, wie sehr sie in ihrer Vergangenheit traumatisiert wurde und von ihr zu der gemacht wurde, die sie heute ist. Mit all den Fehlern und Vorzügen.
Hierbei spielen vor allem zwei Elemente eine zentrale Rolle für das Gesellschaftsbild in diesem Buch: Micky entstammt einer armen Gegend. Deshalb wird sie diskriminiert, es wird versucht, sie zu korrumpieren. Den Mächtigen geht es stets nur darum, noch mächtiger zu werden – und reich, denn Reichtum geht unumstößlich mit Macht einher. Darüber hinaus aber ist Micky lesbisch und lebt in einer Gesellschaft, in der gleichgeschlechtlicher Sex verpönt, heterosexuelle Seitensprünge aber allgemein akzeptiert sind. Diese Südstaatenmoralmischung aus Herkunft und Sexualität hat Auswirkungen auf alle Figuren und ihre Wahrnehmungen, sie führt aber auch dazu, dass Micky oftmals nicht erst genommen wird – und beständig die Motive der Handlungen anderer hinterfragt. Es ist wahrlich ein Sumpf, dieses New Orleans.
Und so entsteht hier eine schöne Verbindung aus nahezu klassischem Plot mit Gesellschaftskritik und komplexen Charakteren, von denen fast alle wichtigen weiblich sind und von böse bis herzensgut alles sein dürfen. Daher ist „Mississippi“ von J.M. Redman daher ein vielversprechender Auftakt der Reihe – und ich bin schon gespannt, mehr von ihr zu lesen.
J. M. Redmann: Mississippi. Übersetzt von Monika Brinkmann. Ariadne 1994.
Übrigens: Sehr zu empfehlen ist auch das Lesen des Anhangs, in dem die Ariadne-Probeleserinnen über den Roman diskutieren. Es gibt einen deutlichen Dissens, der sehr viel über die Zeit des Erscheinens des Romans aussagt.
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