Eine Freundin von Thomas Raabs Metzger-Reihe bin ich nicht. Nachdem ich den ersten Teil noch ganz unterhaltsam fand, wurde es mir ab dem zweiten Teil zu redundant, auch finde ich sie nicht so lustig wie andere Leser_innen. Immerhin sind seine Metzger-Romane äußerst erfolgreich (die Verfilmung lief vor kurzem in der ARD). Doch nun hat Thomas Raab mit „Still“ ein ganz anderes Buch vorlegt, in dem er mit sehr großem Stilwillen von dem Leben des Karl Heidemann erzählt, der vom Tag seiner Geburt an anders ist. Er hat ein ungemein feines Gehör und kann Geräusche nur schwer ertragen. Als Baby schreit er in Anwesenheit seiner Mutter ständig – sie hat eine sehr schrille Stimme – und bringt sie damit fast um den Verstand. Nur wenn er mit seinem ruhigen Vater im Wald ist, ist er ruhig. Deshalb machen die Eltern das Naheliegende, nein, sie gehen nicht zu einem Spezialisten und lassen ihr Kind untersuchen (ich musste ja sofort an eine Folge von „Grey’s Anatomy“ denken, in der ein Mädchen sich selbst die Augen auskratzen wollte und als schizophren galt, aber eigentlich nur ein Loch in ihrem Innenohr hatte, so dass sie ständig ihre Körpergeräusche hörte), sondern richten ihm ein Zimmer im Keller ein. Dort erreichen ihn die Geräusche nur gedämpft, der benachbarte, ältere Dorflehrer unterrichtet ihn, außerdem hat er Bücher. So wächst Karl nun zu einem großen und dicken Jungen heran, den die anderen Dorfbewohner nicht zu Gesicht bekommen. Und als er doch einmal das Haus verlässt, kann er all die Gespräche hören, die für niemandes Ohren bestimmt sind, so dass er all die Geheimnisse der Dorfbewohner erfährt (das ist ein anstrengendes Leben, sogar, wenn man nicht in einen Vampir verliebt ist). Frieden findet Karl jedoch nur, wenn er tötet – und er ist überzeugt, dass seine Opfer die Stille des Todes insgeheim selbst herbeisehnen. Doch aufgrund seiner Taten muss er schließlich Jettenbrunn verlassen, über Berge und Täler fliehen – und irgendwann findet auch er seinen Frieden. Weiterlesen
Krimi-Kritik: „Still“ von Thomas Raab
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