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Filmfest Hamburg – Tagebuch 2

Eine der größten Herausforderungen bei einem Filmfest sind nicht Warteschlangen, nicht-funktionierende Ticketdrucker oder Vordrängler, sondern das Essen Wenn man am Tag – wie ich gestern schrieb – vier Filme guckt, über zwei schreibt, noch andere Arbeit erledigt und mit Kollegen plaudert, bleibt nicht viel Zeit zum Essen. In Hamburg sind die Bedingungen eigentlich gut: In der Nähe der beiden Kinos, in denen die Pressevorstellungen laufen, befinden sich Restaurants und Bäckereien (Abaton) oder ein Bahnhof (CinemaxX). Abgesehen von den beiden Kinos war ich bisher nur im Passage-Kino, auch dort gibt es Bäckereien usw. in der Nähe. Aber aufgrund der Zeit bleibt meist nur Zeit für ein Nahrungsmittel, das man mitnehmen und im Hotelzimmer oder in einer Schlange essen kann. Und da ich kein Fleisch esse, bleiben mir in der Regel Käsebrötchen – (in München entscheidend variiert durch Laugengebäck in allen erdenklichen Formen). Sie sind mit Hauptnahrungsmittel bei Filmfestivals, bei denen ich im Hotel wohne. Deshalb war mein Erschrecken groß, als ich am zweiten Tag hier in Hamburg feststellte, dass ich keine Lust auf Käsebrötchen habe. Das wird schwer in den nächsten Tagen.

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Ansonsten war mein Tag straff durchgetaktet: Vormittags blieb ich im Hotel um zu arbeiten, ab 12:30 Uhr sah ich vier Filme: „Unter dem Sand“ und „Harry Me“ werde ich für kino-zeit.de besprechen, über den sehr schönen „Long Story Short“ folgt ein separater Beitrag und daher bleibt noch „Nice People“, ein Film über ein somalisches Bandy-Team. Bandy würden wir wohl eher als Eis-Fußball bezeichnen: Es ist ein Spiel wie Eishockey nur statt Puck gibt es eine Art Fußball, außerdem sind die Schläger kürzer und ich vermute mal, dass auch die Regeln anders sind. Jedoch erzählt der Dokumentarfilm weniger über die Sportart als vielmehr von den Menschen rund um diese Idee: Der Schwede Patrik Andersson hatte die Idee, ein somalisches Team bei den Bandy-Weltmeisterschaften in Sibirien anzumelden – er wollte damit die Integration der vielen Somalier unterstützen, die in seinem Heimatort Borlange leben. Also folgt der Film seinen Bemühungen, das Team zu finanzieren, außerdem werden die somalischen Spieler immer wieder von dem Unterhaltungsduo Fredrik Wikingsson and Filip Hammar befragt. Diese Interviewsituationen vor der Kamera erinnern sehr an Castingshow-Gespräche, die die Kandidaten rund um den Auftritt führen. Ohnehin soll „Nice People“ wohl witzig sein, wird aber oft auch unfreiwillig komisch, so dass ich mich fragte, ob es wirklich ein Dokumentarfilm oder nicht eher eine Mockumentary ist (ist es nicht). Daneben gibt es plumpe Versuche, die Zuschauer mit emotionalen Geschichten zu rühren, die mich wiederum an gecastete Sendungen im Fernsehen erinnerten. Und dass die Kamera immer wieder Probleme zu fokussieren hatte, sollte vielleicht ein filmisches Mittel sein, dessen Sinn sich mir aber nicht erschloss. Alles in allem also ein Film, bei dem ich mich frage, warum er – abgesehen von der thematischen Aktualität – hier zu sehen ist.

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