Seit jeher habe ich eine Schwäche für den Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Weimarer Republik war stets meine Lieblingsepoche, ich liebe die Literatur aus dieser Zeit – und Filme, die in diesen Jahrzehnten bis in die 1930er Jahre spielen. Deshalb bin ich auch bei „Downton Abbey“ eine Seherin der ersten Stunde, ich mochte das Betuliche der Serie, die Upper-Class-Probleme, die drei stereotypen Töchter und konnte mit den Intrigen unter den Hausangestellten als notwendiges Handlungsbeiwerk leben. Aber spätestens mit der dritten Staffel zeichnete sich immer deutlicher ab, dass dieser Serie eine klare Richtung fehlt und auch den Drehbuchautoren die Ideen ausgehen. Das ohnehin schon langsame Erzähltempo wurde weiter verschleppt, manche Handlungsstränge waren so ausführlich und zeitraubend aufgebaut, dass es eine Wohltat war, als sie beendet waren. Doch nach dem Schock aus dem Weihnachtsspecial, in dem mit Matthew einer der Protagonisten starb, war ich gespannt, wie die Serie weiter gehen würde. Immerhin bot dieses Ausscheiden einige Möglichkeiten: der Fokus könnte von Mary auf die weitaus interessantere Edith gelenkt werden, deren Potential bislang nicht ausgeschöpft wurde, oder Mary könnte jenseits der Erwartungen, den richtigen Mann zu heiraten, neue Perspektiven entwickeln. Allein die Besetzung könnte verändert werden, außerdem könnte es nach den vielen Liebesverwicklungen wieder andere Konflikte geben.
Jedoch geschah nur wenig. Marys Trauer wurde kurz abgehandelt, so dass sogleich ein neues Verehrer-Duo, bisweilen -Trio ihr den Hof machte. Das eigentlich interessantere Thema – Marys Versuche der Mitbestimmung – wurde zugunsten der Liebeshandlung zurückgeschraubt. Die bereits in der letzten Staffel allzu präsenten Anna und Bates müssen eine weitere Prüfung bestehen, insbesondere ihnen hätte eine Pause gut getan – und das gleiche Thema hätte auch mit einer anderen Hausangestellten behandelt werden können. Aber insbesondere bei den Angestellten bekommt niemand Raum für Weiterentwicklung, stattdessen werden bekannte Handlungselemente einfach wiederholt: Anna ist so gut, Bates ist so undurchsichtig, Mrs. Hughes ist weise, Butler Carlson konservativ (er erinnert mich immer an Sam aus der „Muppet Show“) und die Footmen sowie Küchenangestellten sind hauptsächlich als komische Figuren in der Serie. Sicher ist es angesichts der Einschaltquoten riskant, beliebten Charakteren weniger Handlung zu geben. Für die Serie wäre es aber besser. Vielleicht würde den Autoren dann auch einfallen, was sie mit Cora machen könnten, die in acht Folgen und einem Special eigentlich immer die gleiche Kopfbewegung und Betonung zeigte. Ohnehin war ich von dem Special enttäuscht. Nachdem es dort in den letzten Staffeln immer wichtige Entwicklungen gab, war es dieses Mal eine nahezu slapstickhafte Sonderepisode, in der es außer dem Gastauftritt von Paul Giamatti wenig zu sehen gab – gut, die Anspielung auf die Affären des Prinzen von Wales sind amüsant. Immerhin hat Edith insgesamt mehr Raum in der Serie bekommen. Ausgerechnet sie, die sich stets an die Konventionen halten und Erwartungen erfüllen wurde, hadert nun am meisten mit ihnen und lehnt sich – mit zunehmendem Mut – gegen sie auf.
Als ich bei Twitter meinen Unmut äußerte, wies mich Lena auf den begrenzten Kosmos dieser Serie hin. Sicherlich gibt das enge Setting Grenzen vor, aber zumindest örtlich könnten es die Autoren durch eine Erweiterung des Handlungsortes umgehen – das haben andere Serien vorgemacht. Allerdings wäre das noch nicht einmal nötig, würden Figuren nicht allzu plump und gleichartig ersetzt: Als die hübsche, rebellische Sibyl starb, kam die ebenso hübsche und ebenfalls rebellische Rose, von der bereits in der letzten Staffel schändlich wenig zu sehen war. Sicher ist ihre Rebellion nicht politisch und gesellschaftlich, sondern infantiler gegen die Mutter gerichtet, aber vielleicht hätte man sie erwachsen werden lassen können. Nachdem die intrigante O’Brien gegangen ist, kommt zunächst eine andere undurchsichtige Hausangestellte, die immerhin dann recht schnell abermals ersetzt wird. Somit bleibt erstaunlicherweise Robert Crawley einer der wenigen Charaktere, von dem im Lauf der Serie ein anderes Bild entsteht. Ist er in der ersten Staffel ein äußerst verständnisvoller Vater und Ehemann, wird mit zunehmendem Fortgang und zeitlicher Veränderung immer deutlicher, wie reaktionär und konservativ er tatsächlich ist.
Insgesamt gibt es daher nur wenig Positives: eine Szene, in der Mary gerade noch gelöst mit einem ihrer Verehrer in der Küche isst und dann sofort in die gesellschaftlich erwartete Rolle fällt, als das Küchenmädchen Ivy hinzukommt; dass Violet weiterhin die hellsichtige, knurrige alte Dame bleibt und einige lustige Dialoge hat; dass die Autoren langsam mit Ex-Chauffeur Tom etwas anfangen zu können – und sich die veränderten Zeiten durchaus gut in den Haltungen und Positionen abzeichnen. Ob das alles reicht, damit ich die Serie weiterhin gucke, habe ich noch nicht entschieden. Für sie spricht, dass sie mit acht Episoden überschaubare Staffeln hat – und ich hin und wieder auch ein wenig Soap ganz gut vertragen kann.