Eigentlich, ja eigentlich war mein erster Tag auf der Leipziger Buchmesse gelungen. Die Lesungen waren interessant, die Stände waren gut besucht und alles hat wunderbar geklappt. Wenn da nur nicht die Verleihung des Buchpreises gewesen wäre! Clemens J. Setz hat die Auszeichnung in der Kategorie Belletristik bekommen. Ausgerechnet Clemens Johann Setz! Fraglos ist er eine hervorragende Wahl. Aber ich arbeitete doch gerade an einem Artikel-Exposé über ihn, getreu des Mottos „er ist ein junger Autor, der trotz „Die Frequenzen“ nicht die Aufmerksamkeit hat, die ihm zusteht“. Und nun? Nun werden sich alle auf ihn stürzen, von der ZEIT über die FAZ bis zur SZ, und meine Idee ist dahin! Jetzt hat er zwar die Aufmerksamkeit, die er meiner Meinung nach verdient. Nur hat mein Artikel damit nichts zu tun.
Dabei war die Entscheidung im Grunde genommen logisch. Schon in den letzten Jahren wurden bei den Preisen der Buchmessen oft Autoren nominiert, die zu jener Zeit „populär“ waren – letztes Jahr in Frankfurt beispielsweise Judith Zander („Dinge, die wir heute sagten“) oder in Leipzig Helene Hegemann („Axolotl Roadkill“). In diesem Jahr waren es hier vor allem Karen Duwe („Anständig essen“) in der Sachbuch- und Arno Geiger („Der alte König in seinem Exil“) in der Belletristik-Kategorie. Gewonnen hat dann in Frankfurt das Buch, dem die Jury mehr öffentliche Aufmerksamkeit wünscht: Melinda Nadj Abonjis „Tauben fliegen auf“. Der letztjährige Preis der Leipziger Buchmesse ging an Georg Kleins „Roman unserer Kindheit“. Und nun wurden eben Clemens J. Setz‘ „Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes“ und Henning Ritters „Notizhefte“ (die mir im Vorfeld der Buchmesse vom Buchhändler meines Vertrauens noch als bestes Sachbuch des Jahres angepriesen wurden) geehrt.
Vor allem Setz‘ Roman wird jetzt ein Verkaufserfolg werden – darauf deuten bereits erste Beobachtungen an, die ich gestern gemacht habe. Am Abend besuchte ich die Lange Leipziger Lesenacht, in der 50 junge Autoren in vier Veranstaltungsräumen der Moritzbastei in Leipzig lesen. Sein Kommen hat auch Clemens J. Setz zugesagt, er wollte (bereits) um 19 Uhr aus seinem Buch lesen – die Wahl dieser Uhrzeit macht sehr deutlich, dass er nicht mit einem Gewinn gerechnet hat. Sehr augenfällig war darüber hinaus das Interesse von Leserschaften, die ich vor dem Gewinn eher nicht zu seinem Zielpublikum zählen würde: das gutsituierte und kulturell interessierte Bürgertum wartete ganz gespannt auf den 28-jährigen Autor, viele hatten „Die Liebe des Mahlstädter Kindes“ bereits vor der Lesung käuflich erworben und die häufigste Frage war, ob er wohl signieren werde. Er hat wohl – nur war ich zu dieser Zeit bereits bei der nächsten Lesung der Langen Leipziger Lesenacht. Denn abgesehen von Buchpreis-Trägern gab es dort noch einige weitere spannende Autoren und Autorinnen zu hören: Lena Gorelik beispielsweise oder auch Ulrike Almut Sandig. Vielleicht sollte ich über eine von ihnen einen Artikel schreiben …