Normalerweise habe ich es mit Vampiren und anderen übersinnlichen Wesen nicht sonderlich. Daher sind auch sämtliche Blasse-Teenagervampire- und Zauberlehrlings-Hypes an mir vorübergegangen. Aber ich habe ein Faible für gut gemachte Fernsehserien – und da haben mich die mitunter überschwänglichen Kritiken dann doch auf die Serie „True Blood“ neugierig gemacht. Als sie Mitte des Jahres auf RTLII ausgestrahlt wurde, habe ich einen Blick riskiert – und war begeistert.
Tatsächlich ist „True Blood“ mehr als eine Serie über einen Menschen, der sich in einen Vampir verliebt. Zwar ist diese Grundidee aller Vampir-Geschichten auch Ausgangspunkt von „True Blood“. Die niedliche Kellnerin Sookie Stackhouse (Anna Paquin) verliebt sich in den galanten Vampir Bill (Stephen Moyer). Um ihr Leben zu retten, lässt er sie nach einer Auseinandersetzung sein Blut trinken, so dass sie für alle Zeit miteinander verbunden sind. So weit, so kitschig. Aber Sookie verliert ihr Herz vor allem an Bill, weil er das erste Wesen ist, dessen Gedanken sie nicht lesen kann. Sie genießt die Ruhe in seiner Anwesenheit, da die Niederträchtigkeiten und Belanglosigkeiten in den Köpfen der Menschen sie schon seit Jahren plagen. Darüber hinaus ist Bill – zumindest in den ersten beiden Staffeln – ein Vampir, der ein halbwegs menschliches Leben sucht. Diese Möglichkeit hat die Entwicklung von „Tru Blood“ eröffnet, synthetisches Blut, das in Flaschen abgefüllt zu kaufen ist. Dadurch können Vampire auf das Trinken menschlichen Blutes verzichten – und innerhalb der sterblichen Gesellschaft leben.
Ein Spiegelbild der Gesellschaft
Und nun wird „True Blood“ gesellschaftskritisch. Denn die Vampire sind aus ihren Särgen gekommen und fordern Bürgerrechte ein. Die Vampir-Lobby ist gut organisiert und finanzkräftig, noch dazu haben sie eine clevere und gute PR-Frau, die ihre Ansprüche in Talkshows formuliert. Dadurch stehen die Vampire und zahllose andere übersinnliche Wesen, die innerhalb der Serie auftauchen, für gesellschaftliche Gruppierungen, die um Anerkennung kämpfen. Parallelen zur Bürgerrechtsbewegung oder zum lesbian, gay, bisexual, and transgender social movement (LGBT) können gezogen werden („God hates Fangs“ in Anlehnung an „Got hates Fags“; „Coming out of the coffin“ statt „Coming out of the closet“), aber der Vampir ist auch der anpassungswillige Fremde, der vielen Menschen Angst macht und dem sie daher Terrorgedanken stellen.
In der ersten Staffel steht der Umgang mit diesen Fremden im Vordergrund. Die Serie spielt überwiegend in Bon Temps, einer kleinen Stadt in Louisiana. Sie bietet die ideale Kulisse für den Kampf gegen Vorurteile. Rassismus, Bigotterie und historische Verklärtheit sind hier zu Hause, und in diesem Mikrokosmos wagen Sookie und Bill den Aufstand. Die hübsche nette Kellnerin, die ob ihrer Gedankenlesefähigkeit ein wenig seltsam ist, und der Vampir, der ein halbwegs normales Leben führen will. Die Beziehung ist natürlich schwierig – sie lebt am Tag, er bei Nacht, ihre Freunde sind von ihrem neuen Umgang nicht sonderlich begeistert, Bills Vampir-Gang ist lange nicht so zivilisiert wie er –, aber Bill und Sookie kämpfen gegen diese Vorurteile an. Damit stehen sie auch für viele andere Paare in der realen Welt. Denn auch an anderen Orten werden Beziehungen von verschiedenen Religionen und Ethnien nicht gerne gesehen.
In den folgenden Staffeln zieht die Handlung größere Kreise, so dass die einzelnen gesellschaftlichen Gruppierungen größeres Gewicht erhalten. Sookies Bruder Jason schließt sich in der zweiten Staffel einer religiösen Gruppierung namens Gesellschaft der Sonne an, die Vampire ausrotten will. Später steht ein Gesetz zur rechtlichen Gleichstellung von Vampiren zur Abstimmung, so dass die Vampire jegliches Aufsehen vermeiden wollen. Und Sookie und Bill sehen sich auch mit der Diskriminierung konfrontiert, dass sie nicht in jedem Staat heiraten dürfen.
I wanna do bad things with you – Blut und Sex
Doch in „True Blood“ geht es nicht nur um gesellschaftspolitische Fragen, sondern auch um körperliche Bedürfnisse und deren Befriedigung. Denn das synthetische Blut hat einen Nachteil: Es schmeckt nicht sonderlich gut. Darüber hinaus sind nicht alle Vampire gewillt, auf ihr altes Leben und Menschenblut zu verzichten. Im Gegenzug gieren einige Menschen nach Vampirblut, „V“ genannt. Es verändert die Psyche und öffnet das Bewusstsein für außergewöhnliche Erfahrungen – es macht fast süchtiger als Crack. Außerdem sind Vampire außerordentlich gute Liebhaber. Und so gibt es – gemäß der Zeile aus dem Titelsong „Before the night is through, I wanna do bad things with you“ – jede Menge Blut und Sex in „True Blood“.
Insgesamt ist „True Blood“ einfach gut gemachtes Fernsehen. Serienschöpfer Alan Ball mischt die gesellschaftspolitischen Implikationen mit Soap-Elementen und spannenden Handlungssträngen. Die Produktion ist – wie bei HBO meistens – hochwertig, außerdem sind die Rollen sehr gut besetzt. Schon die Hauptdarsteller passen hervorragend: Anna Paquin sieht unschuldig und fragil aus, entwickelt aber im Lauf der Serie eine enorme Stärke. Stephen Moyer umgibt der antiquierte Charme eines untoten Gentleman, noch dazu hat er diesen herrlich englischen Akzent. Und Alexander Skarsgard ist als Eric die Verführung pur. Zudem glänzt die Serie im Original – denn „True Blood“ sollte tunlichst auf Englisch gesehen werden – mit viel Wortwitz, der in der Synchronisation verloren gegangen ist. (Abgesehen davon, dass die Stimmen nicht gut sind) Das verdeutlicht schon ein Beispiel. Wenn Sookie in der dritten Staffel herausfindet, was sie wirklich ist, kommentiert sie es im Original mit „How fucking lame!“ – und in der deutschen Fassung wurde es mit „Aber das ist doch Unsinn“ übersetzt. Doch hier ist lediglich die Übersetzung Unsinn.
Die dritte Staffel von „True Blood“ ist derzeit auf SyFy und RTLII zu sehen. Außerdem sind die ersten drei Staffeln auf DVD erhältlich.