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Lesenotizen zu „Straße der verlorenen Schritte“ von Lyonel Trouillot

In einer Nacht verbreitet sich in Port-au-Prince in Windeseile das Gerücht, dass etwas passieren wird – wieder einmal. Die Anhänger der Opposition wollen mit Gewalt die Macht erringen, und die Miliz des „großen Verblichenen Ewiglebenden Diktators“ könnte abermals ein Blutbad unter der Bevölkerung anrichten. In dieser Situation fährt ein Taxifahrer durch die nächtliche Stadt, erinnert sich eine alte Prostituierte und Bordellbesitzerin an vergangene Nächte und flüchtet sich ein junges Paar in das Haus eines Freundes. Sie werden mitgerissen in einen Strudel aus Erinnerungen und Gedanken, Vermutungen und Träumen.

(c) Liebeskind

(c) Liebeskind

„Das hier ist kein Land, sondern eine Fabrik des epischen Scheiterns“ – gemeint ist Haiti, Handlungsort von Lyonel Trouillots poetisch-düsterem Roman „Straße der verlorenen Schritte“. In eindringlicher Sprache schildert Lyonel Trouillot Schreckensszenarien, die in der beschriebenen Grausamkeit schön zu lesen ist. Eindrucksvoll wird dabei deutlich, wie sich in einer Gesellschaft Hass verbreitet, jedoch ist es nicht immer leicht, diesem Buch zu folgen. Fast zwingt Lyonel Trouillot seine Leser, sich mit der Geschichte Haitis auseinanderzusetzen. Nur dann sind seine oft bitterbösen Verweise zu verstehen und entfaltet sich das Leid dieses Landes vollständig. Auch muss man sich auf den Rhythmus einlassen, die Poesie auf sich wirken lassen und sehr langsam, am besten ein zweites Mal lesen. Dann entfaltet „Straße der verlorenen Schritte“ seine einzigartige Wirkung.

Zum Autor
Lyonel Trouillot wurde 1956 in Port-au-Prince geboren und verließ das Land in den 1980er Jahren, um in die USA ins Exil zu gehen. Heute lebt er wieder in Haiti und lehrt als Professor Kreolische und Französische Literatur. Er zählt zu den wichtigsten Autoren Haitis und wurde für „La belle amour humaine“ für den Prix Goncourt nominiert. Sein Debütroman „Straße der verlorenen Schritte“ erschien im Jahr 1998, seither hat er sechs weitere Romane veröffentlicht.

Lyonel Trouillot: Straße der verlorenen Schritte. Übersetzt von Barbara Heber-Schärer und Claudia Steinitz. Liebeskind 2013.

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