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Women in Crime – „Troubled Daughters, Twisted Wives, herausgeben von Sarah Weinman

14 Kurzgeschichten von den „Trailblazers of Domestic Suspense“ versammelt Sarah Weinman in ihrem Band „Troubled Daughters, Twisted Wives“. Die Storys sind zwischen 1943 und 1977 erstmals erschienen, wurden alle von Autorinnen geschrieben und erzählen von Verbrechen, an denen auf irgendeine Art und Weise Frauen beteiligt sind.

(c) Penguin

Alle Geschichten spielen sich im häuslichen Rahmen ab, sie verbindet eine psychologische Düsterheit. Am meisten beeindruckt hat mich ganz klar „A Nice Place to Stay“ von Nedra Tyre, deren Name mir vorher überhaupt nicht bekannt war. Es ist die Geschichte einer jungen Frau, die sich erst um ihre kranke Mutter gekümmert hat und nach deren Tod verzweifelt auf der Suche nach einem Obdach ist. Erzählt wird aus der Ich-Perspektive der jungen Frau, so dass die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihr Leben hinnimmt, schmerzlich deutlich wird. Es ist eine Einfachheit, Schlichtheit, die aber niemals dazu führt, dass für die Leser*innen die Komplexität dieser Situation reduziert wird.

Shirley Jacksons „Louisa, Please Come Home“ erzählt von einer jungen Frau namens Louisa, die von zu Hause abhaut – und schließlich bemerken muss, dass nach Hause zurückkommen gar nicht so einfach ist. Dorothy B. Hughes ist mit der überraschend amüsant-leichten Story „Everybody Needs a Mink“ vertreten, die sogar ein Happy End hat.

Weinman hat die Geschichten ungefähr gemäß dem Alter der Protagonistinnen sortiert –mir hätte es besser gefallen, wenn die Reihenfolge chronologisch nach Entstehungszeit gewesen oder wenigstens das Entstehungsjahr im Inhaltsverzeichnis angegeben worden wäre. Aber man muss die Storys natürlich auch nicht in der vorgegebenen Reihenfolge lesen.

Insgesamt bietet dieses Buch einen tollen Einstieg und ersten Überblick über Autorinnen, die schon lange vor Gillian Flynn „domestic suspense“ geschrieben haben. Es ist das erklärte Ziel dieser Sammlung, Autorinnen ins Bewusstsein zurückzuholen, die – mit Ausnahme von Patricia Highsmith, Margaret Millar und eventuell Vera Caspary – weitgehend aus dem kulturellen Gedächtnis verschwunden sind, die aber wichtige Wegbereiterinnen nicht nur für gegenwärtige Autor*innen sind.

Weinman macht hier sehr deutlich, dass das nichts mit der Qualität der Autorinnen zusammenhängt, sondern ihnen vielfach der institutionelle Rückhalt und die Beziehungen ihrer männlichen Kollegen gefehlt hat. Das ist ein Teil jeder „Kanon“-Bildung. Aber es fällt auf, dass sich gegenwärtig zwar einige Verlage bemühen, vergessene Autorinnen neu- oder wiederaufzulegen, sich im Bereich Spannungsliteratur aber bislang gar nichts tut.

Sarah Weinman: Troubled Daughters, Twisted Wives. Stories from the Trailblazers of Domestic Suspense. Penguin 2013.

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