Eigentlich hieß das Buch von Martin Booth mal „A Very Private Gentleman“. Dann wurde es von Anton Corbijn mit George Clooney in der Hauptrolle unter dem Titel „The American“ verfilmt und schon ist auf dem Cover neben dem Hauptdarsteller auch dieser Titel zu finden. Dabei ist die Nationalität der Hauptfigur des Romans ungeklärt: „Ich behaupte nicht, Engländer oder Franzose, Deutscher, Schweizer, Amerikaner, Kanadier oder Südafrikaner zu sein. Ich mache diesbezüglich keinerlei Angaben“, Post ist an Mr. A. Clarke, Mr. A. E. Clarke oder auch Mr. E. Clark adressiert. Deshalb nennen ihn die Bewohner des italienischen Dorfes, in dem er seit kurzer Zeit lebt, einfach Signor Farfalla – nach seinem Hobby, der Schmetterlingsmalerei. Seinen neuen Titel verdankt das Buch daher vor allem der Tatsache, dass George Clooney Amerikaner ist, und – mit viel Wohlwollen – lässt sich auch eine Verbindung zu den von Corbijn in dem Film eingesetzten Parallelen zu alten Westernfilmen erkennen.
Ich habe mich durchaus gefragt, wie Corbijn auf den Titel gekommen ist. Klar, Clooney ist Amerikaner. Aber in dem Buch wird der geheimnisvolle Protagonist einfach „Signor Farfalla“ genannt, weil er seinen Lebensunterhalt angeblich mit dem Malen von Schmetterlingsbildern verdient. Die Bewohner in dem kleinen italienischen Bergdorf nehmen zwar an, er sei Engländer, aber sie wissen es nicht, es spielt für sie wohl keine große Rolle. Da das Buch aus der Perspektive des Signor Farfalla geschrieben ist, erfahren wir nur wenig über die anderen Bewohner, ihre Ansichten und Meinungen über den Neuling. Doch als es wirklich darauf ankommt, verraten sie ihn nicht.
Das Buch hat mit dem Film nur die grundlegenden Handlungszüge gemein: Ein schweigsamer Mann kommt in ein italienisches Dorf, baut dort eine Waffe, will seiner Vergangenheit entfliehen und trifft auf einen Priester und eine Prostituierte, die ihm einen Ausweg aus seinem bisherigen Leben aufzeigen. Schon auf den ersten Seiten wird deutlich, dass es vor allem um Erlösung geht. Denn nach diesem letzten Auftrag hofft Signor Farfalla auf ein Leben ohne Waffen, ohne Töten. Doch er merkt auch, dass er von einem unsichtbaren Gegner beschattet wird. Der Roman lebt von dieser Spannung, diesem konzentrierten Duell zwischen Farfalla und seinem Beschatter. Darin sind zahllose Ausführungen über Fragen der Moral und der Ethik eingeflochten, die mal mehr oder mal weniger gelungen sind. Bisweilen sind die Überlegungen der Hauptfigur zu ausschweifend und redundant, zumal die gesamte Geschichte aus der Ich-Perspektive des Signor Farfalla geschrieben ist. Dadurch bleiben Nebenfiguren blass und unnahbar. Obwohl ich ausführliche Beschreibungen schätze und auch Booth‘s Sprache bisweilen beeindruckend fand, überlagern die Längen in der Handlung doch diese positiven Eindrücke.
Diesen Roman zu verfilmen, obwohl sich ein Großteil der Handlung in der Innenperspektive vollzieht, ist ein schweres Unterfangen. Zumal darüber hinaus das äußere Geschehen recht stereotyp ist: ein letzter Auftrag, ein Gegner, die Prostituierte und der Priester als Erlöser. Alles ist aus zahllosen Filmen und Büchern bereits bekannt.
Doch Corbijns Ansatz hat mich überzeugt: Er inszeniert seinen Film sehr reduziert, indem er voll und ganz auf die Bildsprache setzt. Diese Bilder haben mich oft beeindruckt, so dass ich über die Handlungsklischees hinwegsehen konnte. Die Schneelandschaft in Schweden, die labyrinthische Enge des italienischen Dorfes oder auch George Clooney auf einem Stuhl bei der Prostituierten sitzend hat Corbijn in bedrückende Bilder gefasst, die ich nicht vergessen werde. Obwohl ich mich durchaus gefragt habe, warum er sich die Kirche in den Bergen entgehen lassen hat. Denn diesen Ort hätte ich in Corbijns Interpretation zu gerne gesehen.
Da der Film vor allem aufgrund seiner visuellen Brillanz beeindruckt, kann ich auch nur den Bildband empfehlen, den Anton Corbijn über die Dreharbeiten veröffentlich hat! Er liefert tolle Eindrücke zu der Produktion, den Dreharbeiten und erklärt einige Einstellungen.