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Gender-Marketing im Krimi

Am Montag habe ich auf FB einen Blogbeitrag gepostet, in dem es um meine Reihe zu „Women in Crime“ ging – und wie es der Algorithmus nun einmal will, bekam ich folgende Werbenanzeige in meine Timeline.

Nun arbeite ich gerade an einem Beitrag zu Ermittlerinnen in der Kriminalliteratur und bin generell an dem Thema interessiert, also klickte ich natürlich auf diesen Link und frage mich schon bei den ersten Titeln zu den „besten Autorinnen“, wie diese Zusammenstellung wohl entstanden sei. Hilfreich ist da ein Blick ins Impressum – und Crimethrill wird betrieben von der Holtzbrinck-Gruppe, zu der u.a. die Verlage Rowohlt, Kiepenheuer & Witsch, S. Fischer gehören. Das erklärt die Auswahl natürlich, wenngleich ich es schon bedauert habe, dass man sich nicht auch bei einem Werbeportal mehr Mühe gegeben hat, zumal es offenbar darauf abzielt, einen redaktionellen Eindruck zu machen und Engagement zu erzeugen.

Vollkommen absurd wurde es dann aber bei dem nächsten Punkt: die besten Ermittlerinnen. Dort tauchte Ann Kathrin Klaasen von Klaus-Peter Wolf an erster Stelle auf – was schon bemerkenswert ist, denn sie ist möglicherweise aufgrund der Verkaufszahlen von Wolf eine sehr bekannte Ermittlerin, aber „beste“. Und abgesehen davon hätte er doch diese Werbung gar nicht nötig. Das gilt allerdings auch für die folgenden Einträge: Frau Huber von Thomas Raab, Hannah Wester von Hans Rosenfeldt, Ingrid Nyström und Stina Forss von Roman Voosen und Kerstin Signe Danielsson, Julia Durant von Andreas Franz und Madame le Commissaire von Pierre Martin. Diese Titel sind in erster Linie populär und werden auch bereits recht breit beworben. Und ich komme nicht umhin festzustellen, dass offenbar mit der Ausnahme des Duos Voosen und Danielsson ausschließlich Autoren für die Schaffung der „besten und spannendsten Ermittlerinnen“ zuständig sind.

Nun ist mir ja klar, dass das ein Werbeportal ist. Deshalb habe ich auch überlegt, ob ich überhaupt etwas dazu schreiben will. Aber: die Kommentare auf FB deuten darauf hin, dass diese Reihung der „besten Ermittlerinnen“ durchaus ernst genommen wurde. Sie geben mir ein wenig Hoffnung, denn einige Nennungen macht klar das Versäumnis in der Aufzählung deutlich. Aber sie zeigen eben auch, dass Ranglisten oder Listen generell im Internet gut funktionieren, Engagement nach sich ziehen und wohl die wenigstens erst einmal einen skeptischen Blick ins Impressum werfen oder es ihnen schlichtweg egal ist, dass es Werbung ist.

Deshalb kann ich das auch so nicht stehen lassen: Diese Listen bewerben ausschließlich die Bücher dieser Verlagsgruppe – noch dazu die Titel, denen ohnehin schon einiges an Marketingbudget zukommt. Wenn die Verantwortlichen doch wenigstens auch einen Blick in ihre eigene Blacklist geworfen hätten! Da finden sich ganz hervorragende Titel. Bei S. Fischer ist zum Beispiel Dorothy Unak erschienen. Das wäre gleich ein doppelter Gewinn: sehr gute Autorin, sehr gute Ermittlerin. Bei Rowohlt sind zum Beispiel die Bücher mit Katharina Ledermacher erschienen – sie passt auch gut in diese Reihe, wurde sie doch von Richard Hey erschaffen. Barbara Neely ist bei Fischer erschienen. Ebenso einige Titel von Doris Gercke. Ja, das sind alles alte Titel, aber auch die könnten auf solchen Listen vertreten sein. Allerdings würde das natürlich auch bedeuten, dass man sich ein wenig in dem Genre auskennt, das man gerade bewirbt.

Diese beiden Rubriken Autorin und Ermittlerin erscheinen hintereinander – und ich frage mich wirklich, warum niemanden aufgefallen ist, dass die Ermittlerinnen fast ausschließlich von Autoren entwickelt wurden. (Oder ob es aufgefallen ist und schlichtweg als egal befunden wurde.) Das soll nicht heißen, dass Autoren keine Frauenfiguren oder Ermittlerinnen schaffen können. Sondern lediglich, dass Autorinnen Ermittlerinnen haben, die zu den besten des Genres gehören. Und wenn ich mich schon entscheide, Gender-Marketing zu betreiben, dann doch bitte weniger plump. Wobei: Dass die Frau auf dem Artikelbild weder Augen noch einen Oberkopf hat, hätte mir vielleicht von vorneherein einen Hinweis darauf liefern können, wie viele Gedanken sich gemacht wurden.

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