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Heinrich Steinfest und der Film, Teil I

Halte ich Heinrich Steinfest für einen der besten deutschsprachigen Kriminalschriftsteller? Ja! Schätze ich sein Sprachtalent, seine Vergleiche und Abwägungen? Klar! Aber das alles hat wenig mit einem Blog zu tun, der im Untertitel den Satz „Wo Film und Literatur sich treffen“ trägt. Hier gehört etwas ganz anderes hin, nämlich: Heinrich Steinfest und der Film.

Als ich jetzt einige seiner Bücher in Vorbereitung eines Artikel-Exposés nochmals las, hat sich mir dieses Thema geradezu aufgedrängt. Seine Romane sind voller Anspielungen und Bezüge zu Filmen – das ist mir vorher gar nicht so stark aufgefallen. Zumal sich diese Anspielungen nach meinen Empfindungen in den neuen Büchern häufen.

(c) Piper

Grundsätzlich ist bei Heinrich Steinfest eine „filmische Sozialisation“ zu erkennen, ein Roman wie „Die feine Nase der Lilli Steinbeck“ scheint mir ohne James Bond – und natürlich Star Trek – kaum vorstellbar. Ebenso selbstverständlich wie er Zitate aus der Literatur in das Geschehen einflicht, spielt er auf Filme an. Sehr schön wird dieses Verfahren in „Nervöse Fische“ deutlich. Hier wird ein Mann im Pool auf dem Dach eines Wiener Hochhauses von einem Haifisch tot gebissen aufgefunden. Das Mordmotiv hängt aber – ohne zuviel zu verraten – sowohl mit Hölderlin als auch mit Luc Bessons „Im Rausch der Tiefe“ zusammen. Und wenn Kommissar Lukastik seinen Chef in einem völlig unvermuteten Zusammenhang sieht und dies als eine „Szene wie aus einem Hitchcock-Film, wenn der Meister höchstpersönlich auf der Leinwand erscheint“ empfindet, dann ist es deshalb komisch, weil Major Alberich alles andere als meisterhaft ist. Wie auch der Erzähler unmittelbar danach feststellt. Aber zunächst wirkt es alleine auf den Leser.

In dem ein Jahr später erschienenen Roman mit dem programmatischen Titel „Der Umfang der Hölle“ erinnert nicht nur mich der wahnwitzig tollkühne Eingriff von Leo Reisiger an Mr. Moto (und damit an Peter Lorre, mir als Kindermörder aus „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ noch bestens in Erinnerung). Alleine die Fahrt des „Connery-Typs“ Reisiger zu dem Schloss des Verhaltensforschers Bobeck, dessen Frau er gerettet hat, ist voller Anspielungen auf Filme: Gedanken über einen durchlässigen Stoff führen zum Duschvorhang aus „Psycho“, die Begegnung mit dem hollywoodmäßigen Schutzengel und die geheimnisvollen Vorgänge im Zug erinnern gleich an eine Vielzahl von Agenten- und Spionagefilmen. Dabei sind diese Anspielungen aber alles andere als platt, sondern Reisigers Überlegungen entsprechend, dass ein „gewiefter Erzengel (…) nicht wie Robert de Niro oder Gustav Gründgens durch die Gegend lief und die Intelligenz der Leute beleidigte, indem er Deals anbot, von denen man ja annehmen konnte, daß sie über einen beträchtlichen Haken verfügten.“ Und dabei ist noch nicht einmal Reisiger der Filmfreund, sondern seine Frau ist Cineastin und Kinokritikerin, gleichwohl tritt sie erst spät im Roman direkt in Erscheinung.

(c) Piper

Auch andere Motive sind offensichtlich: Allein die Sternwarte ist nicht nur Reisigers Leidenschaft für den Mond geschuldet, sondern auch ein beliebter Drehort in Filmen von „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ bis hin zu „Goldeneye“. Und wenn sich Reisiger wie eine Figur aus einer „Zauberberg-Verfilmung“ fühlt, die sich vor dem „Hintergrund einer Die-Hard-Episode“ bewegt, dann ist das eine schöne Ironie, dass John McLane bislang auf keiner Ölbohrinsel war – im Gegensatz zu dem Bruce-Willis-Ersatz Steven Segal. Aber jeder Leser weiß, warum die Romanfigur diesen Vergleich zieht, der zudem trefflich mit den verschiedensten Genres spielt – und hervorragend zu dem sehr Steinfestschen Ende des Romans passt.

Im zweiten Teil: “Mariaschwarz”

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