Krimi-Kritik: „Trailerpark“ von Jörg Juretzka

Krüschel ist wieder da! Nahtlos setzt Jörg Juretzka mit „Trailerpark“ an dem Ende seines Buchs „Taxibar“ an. Dort befand sich sein Mülheimer Privatdetektiv Kristof Kryszinski umringt von schießbereiten korrupten Polizisten und Drogenhändler an einem Strand in Frankreich wieder. Eigentlich gab es keinen Ausweg aus dieser Situation – abgesehen von dem Tod –, aber entgegen aller Wahrscheinlichkeiten ergreift Kristof seine einzige Chance, riskiert alles und kommt mit dem Leben davon. Wieder einmal. Und landet schließlich unter einem falschen Namen im portugiesischen Jerusalé in dem titelgebenden Trailerpark. Von Montag bis Samstag arbeitet er als illegaler lettischer Einwanderer als Tagelöhner, den Rest der Zeit trinkt er, hat Sex oder versucht, unschönen Gedanken zu verdrängen. Auf diese Weise schafft er es tatsächlich fast ein Jahr lang, allem Ärger auszuweichen. Aber er kann nun einmal nicht aus seiner Haut: Als er wieder einmal mit ansehen muss, wie eine „kleine Gruppe asozialer Portugiesen und sonstigen europäischen Treibguts“ vor der Werft lungert, um den „Sem Papéis“ einen Teil des gerade ausbezahlten Lohns abzunehmen, mischt er sich ein, hilft einem Afrikaner und zieht damit die Aufmerksamkeit auf sich: „Meine Schuld. Seit Monaten war ich ihnen ausgewichen, seit Monaten hatte es sich angebahnt, und nun war es soweit. Mein Herz schlug bis zum Hals, doch einmal nachgeben heißt für immer nachgeben. Und das ließ sich mit meinem Inneren nicht vereinbaren. Du kannst sinken, wie in meinem Fall sogar tief sinken, doch wenn du nicht an einem bestimmten Punkt einen Strich ziehst, gehst du unter. Der Punkt war erreicht.“ Und so legt sich Kryszinski mit der Bande an und hat schon bald sehr viel mehr Ärger am Hals.

(c) Rotbuch

(c) Rotbuch

Jörg Juretzka hat viele Themen schon angesprochen, als sie noch nicht breit diskutiert wurden, beispielsweise illegale Einwanderer aus Afrika in „Alles total groovy hier“ und sexuelle Gewalt an Kindern in „Rotzig & Rotzig“. In „Trailerpark“ gehören diese Themen zu der Welt, in der sich Kryszinski bewegt. Er arbeitet inmitten von Wochenlöhnern mit großen Sorgen und dunkler Vergangenheit. Anfangs war er irritiert, warum er tagsüber mit den Afrikanern kumpelhaft zusammenarbeitete, sie aber abends nicht mit ihm ein Bier trinken oder reden wollten. Schließlich fragte er nach und erhielt die Antwort „Du verstehst nicht“. Denn kein Europäer habe eine Ahnung, wie es ist, vier Tage und Nächte zusammengepfercht in einem Boot zu verbringen, ohne zu wissen, ob man das Mittelmeer lebend überquert – und sollte man es schaffen, mit dem Wissen zu leben, dass sie – egal unter welchen Bedingungen – so lange wie möglich bleiben müssen. Diese Ausschnitte aus dem Alltag finden sich immer wieder in „Trailerpark“, jedoch werden sie nicht in einen großen politischen Bogen eingebettet, sondern schlichtweg als Bestandteil der Realität geschildert. In der Welt, in der sich Kryszinski bewegt, geht es nur noch um das Überleben.

Deshalb ist „Trailerpark“ ein guter Kriminalroman, mit Wortwitz und abenteuerlichen Wendungen, ein typischer Kryszinski eben. Und doch schleichen sich allmählich sehr leise Zeichen von Ermüdung ein. Zum einen ist der Vorgänger „Taxibar“ ein herausragender Teil der Reihe, im Vergleich dazu ist „Trailerpark“ schwächer. Und zum anderen musste Krüschel schon viel einstecken, hat viele brenzlige Situationen haarscharf überlebt. Doch irgendwann muss auch ihm das Glück ausgehen. Und so scheint „Trailerpark“ das Unvermeidliche nur noch ein wenig hinauszuzögern.

Jörg Juretzka: Trailerpark. Rotbuch 2015.

Zu meiner Reihe über Jörg Juretzka

Verlosung: Ich verlose ein Exemplar von Jörg Juretzkas “Trailerpark”. Hinterlasst mir einfach bis zum 15. Januar 2016 einen Kommentar, warum ihr das Buch unbedingt lesen wollt. Wie immer gilt: Der Gewinner bzw. die Gewinnerin wird ausgelost und pro Haushalt nur ein Kommentar.

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5 Gedanken zu „Krimi-Kritik: „Trailerpark“ von Jörg Juretzka

  1. Jutta

    Hallo, wow, das klingt ja nach einem Buch, das viele brisante, aktuelle Themen aufgreift. Von dem Autor habe ich noch nie was gehört. Die Autorenbeschreibung macht auch neugierig und darum würde ich gerne das Buch gewinnen.

    lg, Jutta

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  2. Annegret

    Ich springe in den Lostopf für dieses Buch, weil ich neugierig auf Jörg Juretzka bin, von dem ich bisher noch nichts gelesen habe!

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  3. Pingback: Die Linktipps aus Bonn am Samstag unter widrigen Umständen | Bundesstadt.com

  4. Stefan Allgaier

    Ich habe das Buch bereits gelesen und finde es, wie im übrigen fast alle Bücher dieser Reihe, wirklich herausragend. Es hat Esprit und fesselt den Leser, man identifiziert sich gerne mit dem Charakter des Krüschel, ja man möchte solidarisch sein gegen die Ungerechtigkeiten der Welt und dem ewigen Loser beistehen. Immer wieder freue ich mich auf neue Juretzkawerke. Chapeau!

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