In ihrem Roman „Das Labyrinth der Wörter“ erzählt Marie-Sabine Roger von dem tumben Germain Chazes, der mit Büchern und Lesen nicht wirklich etwas anfangen kann. Er ist ungebildet, hängt gerne am Tresen mit seinen Freunden herum und lebt in einem Wohnwagen hinter dem Haus seiner Mutter. Dann lernt er beim Taubenfüttern im Park die 86-jährige Margueritte Escoffier kennen, promovierte Biologin und passionierte Leserin. Sie kommen ins Gespräch und freunden sich an. Durch Margueritte lernt Germain die Literatur zu lieben – und zu erkennen, dass sich in seinem Leben etwas ändern muss.
„Das Labyrinth der Wörter“ ist ein unterhaltsames Buch, ein nette Lektüre, die im Stile von „Forrest Gump“ Lebensfreude zu schenken vermag. Vor allem durch die Lexikon-Einträge, in denen sich Germain immer wieder verirrt, entfaltet das Buch seinen Reiz. Charmant wird dadurch überdies der Zusammenhang von Sprache und Denken, aber auch von Literatur und Leben deutlich.
In Frankreich war das Buch außerdem ein großer Erfolg, so dass eine Verfilmung eigentlich nur eine Frage der Zeit war. Mit Jean Becker hat „Das Labyrinth der Wörter“ einen Regisseur gefunden, der sich mit Tragikomödien wie „Ein Sommer auf dem Lande“ einen Namen gemacht hat, die sich vor südfranzösischer Kulisse vor allem dem Flair dieses Landstrichs und seiner Bewohner widmen.
Und auch dieser Film ist eine leichte, sommerliche Komödie, die harmlose Unterhaltung bietet, dem Charme der Vorlage aber nicht standhalten kann. Schon Germains Lesen im Lexikon ist im Film nicht gut umgesetzt: mal liest er sich selbst etwas vor, mal aber auch seiner Katze – und dieses Zwiegespräch mutet merkwürdig an. Weitaus störender ist aber die Umsetzung der Szenen, in denen Margueritte Germain etwas vorliest. Durch das Zuhören, das Imaginieren der Bilder zu den Geschichten wird Germain ein anderer. Nun hat zu jedem Buch jeder Leser andere Vorstellungen, das macht es ja gerade auch Literaturverfilmungen so schwer. Doch Jean Becker setzt diese Wirkung, diesen Zauber der Imaginationen außer Kraft, indem er den Worten keinen Raum gibt, sondern sie in explizite Bilder umsetzt, die höchstens unfreiwillige Komik hervorrufen.
Ohnehin ist Jean Beckers Verhältnis zur literarischen Vorlage uneinheitlich. Über weite Strecken des Films hält er sich nahezu sklavisch an das Buch, um dann am Ende mit einer unnötigen Road-Movie-Einlage von dem Roman abzuweichen. Diese Entscheidung fügt sich nicht in den Film ein, sie erscheint unnötig. Das ist schade, denn Jean Becker hat mit Gérard Depardieu und Gisèle Casadesus die ideale Besetzung für die Hauptrollen gefunden – und auch viele andere schöne Bilder geschaffen, die ein wohliges Gefühl vermitteln. Doch sein Film verschenkt unnötiges Potential, anstatt einfach die Geschichte einer platonischen Liebe zwischen zwei Menschen, aber auch zur Literatur zu erzählen. Daher bleibt beim Abspann ein fader Nachgeschmack.
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Ich sehe Gérard Depardieu so gerne, ich mag ihn als Schauspieler einfach, und als ich die Tage entdeckt habe, dass WATCHEVER dieses Film im Angebot hat, musste ich natürlich unbedingt mal reinschauen. Ich kann nur so viel sagen: Der Film war der absolute Hammer. Er war an vielen Stellen sehr lustig und an noch mehr Stellen zum Nachdenken anregend und traurig.