Ziemlich blutig beginnt Emma Viskics Krimi-Debüt „No Sound – Die Stille des Todes“. Caleb Zelic hat seinen Freund Gary mit aufgeschlitzter Kehle gefunden, zudem wurden alle Finger gebrochen. Offenbar wollte jemand etwas von ihm erfahren – und könnte mit dem Fall zusammenhängen, bei dem der private Ermittler Caleb seinen Polizistenkumpel Gary um Hilfe gebeten hat. Als letztes Lebenszeichen hat Gary eine SMS geschickt und gesagt, Scott sei hinter ihm her. Niemand weiß, wer Scott ist – und deshalb konzentrieren sich die Ermittlungen der Polizei zunächst auf Caleb.
„Resurrection Bay“ heißt der Roman im Original, das ist einer der Schauplätze des Romans und zugleich verweist der Titel auch auf die vielen Wiederauferstehungen Calebs in diesem Roman: mehrere Angriffe überlebt er zum Teil schwerstverletzt. Aber er ist getrieben von dem Ziel, Scotts Identität zu enthüllen und den Verdacht zu entkräften, Gary sei korrupt gewesen. Der generische deutsche Titel „No Sound – Die Stille des Todes“ verweist indes vor allem auf die Hauptfigur Caleb: Er ist gehörlos. Dank langer Therapie hat er sprechen gehört, mithilfe von Hörgeräten und Lippenlesen kommuniziert er mit den meisten hörenden Menschen – lediglich mit seiner Ex-Frau nutzt er Gebärdensprache. Zudem beobachtet er Menschen genau. Deshalb vergisst er kaum ein Gesicht und kann an einem kleinen Zucken in den Augen erkennen, ob Emotionen vorgespielt sind. Doch wenn er müde ist, versteht er nicht alles – und wenn sich jemand von hinten anschleicht, reagiert er bisweilen zu spät.
Aus Calebs Wahrnehmung mit allen verbundenen Vor- und Nachteilen gewinnt dieser Roman beträchtliche Spannung, zumal sie konventionellen Spannungsszenen wie einem nächtlichen Überfall oder einem Showdown in einem Lagerhaus interessante Facetten hinzufügt. Der Fall erweist sich als ausreichend vertrackt, der Plot ist gut aufgebaut. Dass die Korruption bei der Polizei eine zentrale Rolle spielt, ist ein aus australischen Kriminalromanen bekanntes Element, das für ausreichend Misstrauen sorgt.
Dadurch ist „No Sound – Die Stille des Todes“ ein unterhaltsamer und spannender Kriminalroman, der jedoch weitgehend brav innerhalb der Konventionen bleibt. Sicherlich ist Caleb kein Superermittler und hat angenehm anderen emotionalen Ballast zu tragen. Aber es ist schade, dass sich Calebs Gehörlosigkeit nicht stärker im Text widerspiegelt. Gelegentlich nutzt Emma Viskic Halbsätze oder Halbwörter, die auf Calebs Müdigkeit verweisen. Schwierige Kommunikationssituationen werden aber dadurch aufgefangen, dass Caleb Hilfe bekommt – eine Tatsache, die ihm schwerfällt, jedoch der Autorin ermöglicht, innerhalb der Kommunikationsformen der Hörenden zu bleiben.
Emma Viskic: No Sound – Die Stille des Todes. Übersetzt von Ulrike Brauns. 288 Seiten. Piper 2020. 15 Euro.