Daniel Kehlmann und Detlev Buck – Eine zweifache „Vermessung der Welt“

Mit seinem Roman „Die Vermessung der Welt“ stand Daniel Kehlmann über 37 Wochen auf der Bestseller-Liste und hat im In- sowie Ausland große Erfolge gefeiert. Und tatsächlich ist diese geschickt montierte Doppelbiographie von Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß ungemein lustig und gut zu lesen. Dabei bietet sie mit der Parodie auf klassische Lebensbeschreibungen intelligente Unterhaltung im besten Sinne. Nun hat Detlev Buck diesen Erfolgsroman in 3D verfilmt

Über den Roman von Daniel Kehlmann

(c) Rowohlt

Der Roman beginnt im Jahr 1828 – übrigens die einzige Jahreszahl in diesem historischen Roman – mit einer Reise von Carl Friedrich Gauß nach Berlin. Dorthin wurde er von Alexander von Humboldt zur 17. Tagung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte eingeladen und hat sich widerwillig mit seinem Sohn Eugen auf den Weg gemacht. Der alte Gauß reist nicht gerne, sondern ist am liebsten zu Hause. In Berlin trifft er nun auf den reisenden Entdecker Alexander von Humboldt, der die Welt mit seinen Füßen erkundet hat. Ihre Begegnung bildet die Rahmenhandlung des Romans, in die die kapitelweise wechselnden chronologischen Lebensläufe von Gauß und Humboldt eingebunden sind. Beide haben die Welt erkundet – wenngleich auf verschiedenen Wegen. Humboldts Entdeckerdrang führte ihn nach seiner strengen Ausbildung und dem Tod der Mutter bis nach Amerika. Dort hat er mit seinem Assistenten Aimé Bonpland den damals bekannten höchsten Berg der Welt bestiegen. Dagegen forschte der aus armen Verhältnissen stammende Gauß am Schreibtisch und erkundet die Welt mathematisch. Seine sinnlichen Versuchungen sind die Frauen, während sich Humboldt eine strenge Askese auferlegt hat.

Daniel Kehlmann (c) Billy Hells

Daniel Kehlmann erzählt von diesen Leben im kurzweiligen Wechsel der Kapitel. Der schnelle Erzählrhythmus wird durch den lakonischen Stil wunderbar untermalt, außerdem persifliert er den Stil populärer klassischer Biographien und unterhält mit einem ironischen Erzählton. Dadurch wird das weltfremde Auftreten beider Hauptfiguren – schon bedingt durch die historische Distanz zum heutigen Leser – noch akzentuiert. Nachdem Gauß beispielsweise bemerkt hat, dass seine Schwiegermutter gar nicht erfreut darüber war, dass er die Geburt seines ersten Sohnes vergessen hat, benimmt er sich bei den folgenden Geburten, wie es sich gehört. Dagegen übersetzt Humboldt sein Lieblingsgedicht – offenbar „Wandrers Nachtlied“ („Ein Gleiches“) von Goethe – ins Spanische und statt der „Gipfeln ruh‘“ ist es „oberhalb aller Bergspitzen“ ruhig. Dabei ist es das besondere Verdienst des Romans, die Szenen nicht zu lang werden zu lassen und die Anspielungen nicht zu deutlich heraustreten zu lassen. Vielmehr versteht es Daniel Kehlmann in bemerkenswerter Kürze viel und lustig zu erzählen.

Die Verfilmung von Detlev Buck

Eines sei vorweg genommen: Aus dem Roman ist ein unterhaltsamer Film geworden. Dennoch enttäuscht er als Verfilmung dieses Romans, da er trotz opulenter Ausstattung, der 3D-Technik und Daniel Kehlmanns Beteiligung am Drehbuch nicht gelungen ist, den Ton der Vorlage nicht trifft. Oder anders gesagt: Den literarischen Mitteln, mit denen Daniel Kehlmann virtuos umgeht, wurden keine adäquaten filmische Mittel entgegengesetzt.

Humboldt (Albrecht Abraham Schuch) und Bonplant (Jérémy Kapone) (c) Warner Bros.

Deutlich wird es insbesondere in dem Erzählstrang um Alexander von Humboldt (gespielt von Albrecht Abraham Schuch). Der preußische Adlige wartet nur auf den Tod seiner Mutter, um endlich seinen eigenen Neigungen nachzugehen und mit dem erebten Vermögen die Welt zu erkunden. Es ist ein komisches Bild, wenn er in Frack und Zylinder durch Südamerika stapft und den mitreisenden Franzosen Aimé Bonpland (Jérémy Kapone) zur Disziplin ermahnt. Diese bereits im Bild vorhandene Komik wird durch übertriebene theatralische Gesten überzeichnet. Außerdem ist Humboldts enthaltsame Lebensweise nicht nur auf die preußische Disziplin zurückzuführen, sondern auch auf seine sexuellen Präferenzen. Dieser Aspekt seines Charakters spielt im Film keine Rolle. Stattdessen wird er in einer peinlichen Szene gezeigt, in der er sich einnässt – und dadurch wird seine Verurteilung von Bonplants Verhalten gegenüber den Frauen auf der einen Seite und seine Mahnungen zu mehr Würde auf der anderen Seite zur bloßen Manier.

Gauß (Florian David Fitz) und Humboldt (Albrecht Abraham Schuch) im Alter (c) Warner Bros.

Nicht nur in den Details gibt es entscheidende Abweichungen. Ein Merkmal von Humboldts Figur sind seine bisweilen anachronistischen Ansichten, gepaart mit einem großen Humanitätsgedanken. So hält er es für ein Unding, dass der Mensch vom Affen abstammt und lehnt die Sklaverei. Als er mit Bonplant in eine Sklaven-Auktion gerät, kauft er sie mit großer Geste frei. Aber die Sklaven wissen nicht, was sie mit ihrer Freiheit anfangen sollen. Im Roman wird diese Szene kurz geschildert und endet mit der humorvollen Bemerkung des Erzählers, dass Bonplant und Humboldt bei der nächsten Sklavenversteigerung zu Hause blieben und bei geschlossenen Läden arbeiteten. Im Film wird diese Szene zu ausführlich etabliert, indem die Käufer und Sklaven sowie Humboldts Freikaufversuch detailliert gezeigt werden. Es fehlt aber der Hinweis auf sein Verhalten bei den nächsten Auktionen, so dass das Grotesk-Komische der Szene nicht vorhanden ist.

Gauß (Florian David Fitz) und seine Frau Johanna (Vicky Krieps) (c) Warner Bros.

Erzählerisch vermag die Verfilmung der „Vermessung der Welt“ daher nicht zu überzeugen. Die jeweiligen Erzählstränge um Humboldt und Gauß (Florian David Fitz) verlaufen weitgehend parallel, auch wurde der Handlung um Gauß eine Konfrontation mit den Soldaten beigefügt, die letztlich im Nichts verläuft. Und so bleibt neben dem gelungenen Anfang und Ende vor allem das Gefühl, dass bei diesem Film mehr möglich gewesen wäre.

Hier noch ein Blick auf den Trailer:

„Die Vermessung der Welt“ startet am 25. Oktober 2012 in den deutschen Kinos. Meine Filmkritik ist bei spielfilm.de zu lesen.

Daniel Kehlmanns Roman „Die Vermessung der Welt“ ist bei Rowohlt erschienen.

Verlosung:

Das Buch zum Film (c) Rowohlt

Zum Filmstart ist im Rowohlt Verlag ein sehr schönes „Buch zum Film“ erschienen, das nicht nur das Drehbuch mitsamt Fotos enthält, sondern auch Interview mit Daniel Kehlmann und Detlev Buck, ein Erfahrungsbericht von den Dreharbeiten, Essays von Jan Distelmeyer und Thomas Glavinic sowie einiges mehr. Zum Filmstart verlose ich ein Exemplar dieses Buches. Dazu müsst Ihr einfach hier oder bei Facebook bis zum 7. November 2012 einen Kommentar hinterlassen, warum gerade ihr dieses Buch haben möchtet.

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7 Gedanken zu „Daniel Kehlmann und Detlev Buck – Eine zweifache „Vermessung der Welt“

  1. Chrisy

    Hallihallo 🙂 Ich würde dieses Buch gerne gewinnen, weil mich der Inhalt anspricht und ich es noch lesen möchte, bevor ich mir den Film eventuell im Kino ansehe.

    LG Chrisy

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  2. Zeilenkino

    Vielleicht sollte ich noch einmal darauf hinweisen, dass ich NICHT den Roman “Die Vermessung der Welt” von Daniel Kehlmann verlose, sondern das Buch zum Film, in dem das Drehbuch, Berichte über die Dreharbeiten und Essays enthalten sind. Ich finde das Buch toll, möchte aber nicht, dass einer von euch enttäuscht ist. 🙂

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  3. Janna

    Hallo!

    Ich würde dieses tolle Buch sehr gerne gewinnen, weil ich mich immer für die Hintergrundinformationen interessiert habe! Bei Filmen schaue ich sofort die Making-Ofs und kaufe fast nur DVDs wo die Zusatzinfos drauf sind! 😉
    Das Interview mit Kehlmann interessiert mich ebenfalls brennen, weil ich das Buch schon gelesen habe und einfach mal mehr vom Autor hören will! *-*
    Außerdem sind Bücher aus dem Rowohlt Verlag immer toll! Da habe ich schon etwas Erfahrung drin! 😀

    LG
    Janna

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