Acht Jahre nach dem brutalen Übergriff auf Rodney King wird Officer Dave Brown (Woody Harrelson) gefilmt, wie er einen Verdächtigen zusammenschlägt. Unter normalen Umständen würde das LAPD diesen Skandal aussitzen, aber Officer Brown gehört zu der Rampart-Einheit, auf die Vorwürfe der Korruption und Gewalt nur so einprasseln. Deshalb wird er damit nicht durchkommen – obwohl seine Kollegen auf seiner Seite stehen und er aufgrund einflussreicher Freunde vorerst seine Arbeit behält.
Vor dem Hintergrund des Rampart-Skandals inszeniert Oren Moverman weniger einen Kriminalfilm denn eine Charakterstudie. Officer Dave Brown ist eine aussterbende Spezies Polizist, der überzeugt ist, dass das Ziel, die Straßen sicherer zu machen, jedes Mittel heiligt. Deshalb verprügelt er Verdächtige, schiebt Beweise unter und lässt sich Gefälligkeiten erweisen. Er war mit zwei Frauen (Cynthia Nixon, Anne Heche) verheiratet, die Schwestern sind, hat jeweils eine Tochter mit einer Frau, lebt aber mittlerweile nur noch auf einem Grundstück mit ihnen. Die Fassade der Familienwelt bröckelt, vor allem seine älteste Tochter (Brie Larson) hat längst durchschaut, dass ihr Vater ein gewalttätiger Mann ist. In einer eindrucksvollen Szene wirft sie ihm vor, er sei ein Rassist, Sexist, Chauvinist und Homophober. Er kontert diese Vorwürfe lediglich mit der Frage, wie lange sie ihre Rede geübt habe. Dadurch wird das ganze Ausmaß von Ramparts Abgestumpfheit deutlich, die er mit Tabletten, Alkohol und Sex zu kompensieren sucht. Aber sein Leben entgleitet ihm: seine Ex-Frauen wollen ihn aus dem Haus haben, seine Töchter wollen die Wahrheit wissen – und auch ein Ermittler der Staatsanwaltschaft (Ice Cube) hat ihn an der Angel.
Woody Harrelson verkörpert Dave Brown mit einer starken Physis und Körpersprache, die seine rohe Brutalität und Männlichkeit ausdrückt. Dabei gelingt es ihm eindrucksvoll, Browns Niedergang von innen nach außen erkennbar werden zu lassen. Mit zunehmender Entwicklung lässt Harrelson zudem die Leere und Gleichgültigkeit erahnen, die sich hinter Browns Verhalten befindet. Vielleicht hängt sie mit seinen Erfahrungen in Vietnam zusammen, vielleicht ist sein Verhalten die Konsequenz seiner Arbeit – vielleicht ist er aber schon immer so gewesen. Es ist das große Verdienst von Woody Harrelson, dass man sich diese Fragen stellt und dem zutiefst amoralischen Officer Brown fasziniert zuschaut, wie er immer tiefer im Abgrund versinkt.
Das Drehbuch von James Ellory, so erzählt es Regisseur Oren Moverman in den Extras der DVD, stellte den Rampart-Skandal stärker in den Vordergrund als er nun im Film vorkommt. In den späten 1990er Jahren wurden mehr als 70 Polizisten einer Anti-Gang-Einheit der Abteilung Rampart einer Vielzahl von Verbrechen überführt, die vom Drogenhandel über Beweismanipulation bis zu Banküberfällen reichten. Am Anfang des Skandals steht ein Zusammenprall der Autos eines Rampart-Polizisten und Undercover-Ermittlers, der auch bei Moverman der Anlass für Browns Probleme ist. Insgesamt schwelt im Film der Rampart-Skandal jedoch im Hintergrund, Officer Brown ist quasi Geschwür, das die Polizei und insbesondere Staatsanwaltschaft (u.a. gespielt von Sigourney Weaver, Steve Buscemi) von Los Angeles unbedingt loswerden will, bevor sie der große Skandal heimsucht. Sie können sich einfach keine korrupten Polizisten mehr leisten. Indem Regisseur und Drehbuchautor Oren Moverman aber das Narrative zurückdrängt und abermals sein Talent zur Charakterzeichnung und Schauspielerführung beweist, rückt die Figur des Officer Brown in den Mittelpunkt. Dadurch erinnern lediglich das in gleißende Farben getauchte Los Angeles (Kamera: Bobby Bukowski) und die Anlage der Figur des korrupten rotgesichtigen Cops noch an James Ellory.
Indem der konkrete Skandal in den Hintergrund gedrängt wird, wird die Geschichte zudem universeller. Es hat zu jeder Zeit und in jedem Land korrupte Polizisten gegeben. Polizisten, die ihre Machtposition ausnutzen – zu welchem Zweck auch immer. In „Rampart“ ist nun zu sehen, was aus ihnen werden kann, wenn sich die Zeiten ändern, sie ihre Macht sukzessive verlieren oder sie von dem korrupten System langsam aufgefressen werden. Und nicht nur das macht „Rampart“ zu einem sehr sehenswerten Film.
Ein exklusiver Ausschnitt aus „Rampart“ ist bereits letzte Woche im Zeilenkino erschienen und hier zu finden.
Eine weitere Besprechung des Films ist in der Kriminalakte zu finden.