(c) Ebele Okoye / Fin Film
Endlich habe ich es gestern zum Internationalen Frauenfilmfestival nach Dortmund geschafft und bin nach einer kleinen Irrfahrt durch die Dortmunder Innenstadt in der Schauburg gelandet. Dort liefen zwei argentinische Filme, auf die ich sehr gespannt war: der Dokumentarfilm „Open Sky“ von der Inès Compan und das Drama „The Fly in the Ashes“ von Gabriela David.
In „Open Sky“ erzählt Regisseurin Inès Compan von dem Kampf der indigenen Kolla-Bevölkerung, die unversehens ins Zentrum der internationalen Rohstoff-Verteilungskämpfe geraten ist. Die Kolla leben im ländlichen Nordwesten Argentiniens in der Puna-Hochwüste. Ihre Lebensgrundlage bestreiten sie vor allem mit Landwirtschaft und der Zucht von Lamas und Chinchillas. Aber die Puna birgt auch ein großes Metallvorkommen, das von der kanadischen Firma Standard Silver abgebaut werden soll. Die Silbermine gefährdet die Umwelt und das Leben der Kolla, die von ihrem Land aber nicht weichen wollen. In dem Film wird deutlich, dass die Rechte der Kolla ignoriert werden – oder sie mit leeren Versprechungen beschwichtigt werden. Zu Beginn des Films errichten sie sogar eine Straßensperre, um den Weiterbau eines Schulgebäudes durchzusetzen. Aber die Kolla geben nicht auf und stehen für ihre Rechte ein. Dabei mutet der Gegensatz zwischen dem Profit, den die Silbermine erwirtschaften soll, und der Armut der Kolla schon absurd an. An manchen Stellen hätte ich mir dennoch mehr Kommentare der Filmemacherin gewünscht. Wer sich aber mit Ruhe und Geduld auf den Film einlässt, bekommt gute Eindrücke von einem Landstrich, der hierzulande kaum bekannt ist.
Gabriele David (c) IFFF Dortmund|Köln
Anschließend lief ebenfalls in der Schauburg der Film „The Fly in the Ashes“ von der kürzlich verstorbenen argentinischen Filmemacherin Gabriela David. Der Film wurde von ihren Ehemann Enrique Angeleri vorgestellt, der als ausführender Produzent und Cutter an „La mosca en la cenzia“ beteiligt war. Er erzählte, dass eine Zeitungsmeldung über die Flucht einer Zwangsprostituierten Ausganspunkt des Films war. Gabriela David erstaunte, dass das Bordell, in dem die Mädchen festgehalten wurden, in einer bürgerlichen Mittelschichtsiedlung lag – und keiner etwas gesehen haben wollte. In ihrem Film erzählt sie nun die Geschichte von Nancy und Pato, die ihr Dorf in der Hoffnung auf eine Anstellung als Hausmädchen in Buenos Aires verlassen. Aber sie finden sich eingeschlossen in einer Wohnung wieder, in Männer für Sex mit ihnen 50 Pesos Sex zahlen. Während sich die zurückgebliebene Nancy in diese Umgebung einfügt, rebelliert Pato fast bis zur Selbstzerstörung.
Nancy und Pato (c) IFFF Dortmund|Köln
Der sehr gute Film besticht meines Erachtens erstens durch die guten Hauptdarstellerinnen Paloma Contreras-Manzo und Maria Laura Caccamo, zweitens durch die Bildsprache, die die klaustrophobische Enge in der Wohnung sehr eindringlich deutlich macht, und drittens durch das Aussparen der expliziten Darstellung von Gewalt. Stattdessen erzählt Gabriela David mit viel Ruhe eine Geschichte über eine außergewöhnliche Frauenfreundschaft und das Wegsehen einer Gesellschaft.
Dieser eine Tag auf dem IFFF hat mal wieder gezeigt, dass für gute Filme nicht zwangsläufig viel Geld erforderlich ist – und dass es viel zu viele Filme gibt, die es kaum in ein „normales“ Kino schaffen werden. Aber das sind genau die Gründe, weshalb ihr Festivals besuchen solltet!
Update: „La mosca en la ceniza” (“The Fly in the Ashes”) wurde am Sonntagabend mit einer lobenden Erwähnung von der Jury des IFFF geehrt. Den Preis vergaben die Schauspielerin Maren Kroymann, die US-amerikanischen Bloggerin Melissa Silverstein und die Niederländerin Claudia Landsberger, Leiterin von EYE International, an den griechischen Film “Attenberg”.