Meistens gibt es erst das Buch und dann den Film. Oder aber das Buch zum Film, das dann die Handlung nach- bzw. weitererzählt. Oder Fanbücher, die ganz auf den Film abgestimmt sind. Neil Cross ist mit seinem Roman „Luther – Die Drohung“ nun einen anderen Weg gegangen. Er erzählt die Vorgeschichte zu der Fernsehserie „Luther“, nachdem die Drehbücher bereits fertig waren. Das hat einige Vorteile: Die Figuren sind sehr nah bei den Schauspielern, gerade bei der Hauptfigur ist Idris Elba deutlich zu erkennen. Auch die Interpretationen der Schauspieler – also beispielsweise die großen Schritte, die Luther immer macht – finden sich in der Geschichte wieder. Es hat aber auch einen Nachteil, der im Fall eines Thrillers besonders schwer wiegt: Der Zuschauer der Serie kennt bereits den Ausgang des Falls
Am Anfang von „Luther – Die Drohung“ ermittelt der Londoner Detective Chief Inspector John Luther in einem Doppelmord, bei dem ein Ehepaar bestialisch ermordet und der im achten Monat schwangeren Frau das Kind aus dem Bauch geschnitten wurde. Nachdem die Medien erfahren, dass ein Baby verschwunden ist, steigt der Druck auf die Serious Crime Unit der Metropolitan Police beträchtlich an. Zumal sich der Täter mittels einer Fernsehsendung öffentlich an die Polizei wendet und insbesondere Luther für die weitere Entwicklung verantwortlich macht. Dadurch wird Luther persönlich für den Erfolg verantwortlich. Zwar hatte er anfangs angeboten, die Ermittlungen in diesem Fall abzugeben, aber sein Gesuch wurde von seiner Chefin abgelehnt. Nun ist er regelrecht besessen von dem Wunsch, diesen Täter zu stellen und seine Explosivität sowie seine Gratwanderung zwischen dem Guten und Bösen treten deutlich zutage. In der Serie wird er dann mit den Folgen seiner Handlungen leben müssen, zu denen nicht zuletzt das Scheitern seiner Ehe mit Zoe zählt. Sie hat ihm eine letzte Chance gegeben, die er aber nicht nutzt. Dabei lässt sich im Buch weitaus besser nachempfinden, warum sich Zoe gegen ihren Mann und für Mark North entscheidet.
Gerade bei den privaten Entwicklungen ist der Thriller eine Bereicherung für alle Luther-Fans, der Hauptfall überzeugt indes nicht auf ganzer Linie. Demgegenüber steckt in einer Nebenhandlung weitaus mehr Potential. Luther und sein Kollege Reed stehen einem alten Mann beist, der von einem Immobilienhai aus seinem Haus vertrieben werden soll. Dieser Subplot hat mehr Substanz, ist weitaus unkonventioneller und sogar gesellschaftskritischer als der Serienmörder-Fall. Wäre dieser Erzählstrang die Haupthandlung, wäre auch der Wissensvorsprung der Zuschauer der Serie allein auf die Figuren beschränkt gewesen und der Thriller insgesamt wesentlich spannender geworden.
Dass die Nähe des Buches zur Serie funktionieren kann, zeigt sich vor allem in einigen Handlungselementen, die in der Serie später aufgegriffen werden. Beispielsweise ist Reeds Verwicklung in einen Raubüberfall bereits angelegt und somit gut eingeleitet. Hier erweist es sich als Vorteil, dass Neil Cross bereits die Drehbücher geschrieben hat. Auch stilistisch ist der Thriller sehr filmisch. Es gibt schnelle Szenenwechsel, viele Dialoge und personale Einschübe. Insgesamt bleibt dieses Buch daher ein interessanter crossmedialer Beitrag zu der Serie „Luther“. Fans der Serie finden einige Hintergründe zu den Figuren – und alle, die die Serie noch nicht kennen, erwartet unterhaltsam-serielle Krimikost. Einsteigern sei daher empfohlen, erst das Buch zu lesen und dann die Serie zu gucken.