Zu „IQ“ von Joe Ide

Der Debütroman des Amerikaners Joe Ide erzählt von dem „Detektiv ohne Lizenz“ Isaiah Quintabe, der sich mit Gefälligkeiten und kleineren Ermittlungen in Los Angeles über Wasser hält. Dann vermittelt ihm sein alter kleinkrimineller Bekannter Juanell Dodson einen „richtigen“ Auftrag: Auf den Rapper Black the Knife alias Calvin Wright wurde zu Hause durch einen Kampfhund ein Anschlag verübt, seither will er das Haus nicht mehr verlassen. Isaiah Quintabe – genannt I.Q. – soll nun für die Sicherheit des Rappers sorgen, indem er diesen Kampfhundangriff aufklärt.

(c) Suhrkamp

Damit treffen in dem sehr unterhaltsamen IQ zwei sehr verschiedene Milieus aufeinander: einerseits die schillernd-blickende Welt eines Rap-Stars mit Gangsterattitüde, viel Glamour, Attitude und BlingBling, andererseits die Realität in South Central, wo IQ und Dodson aufgewachsen sind. Hinzu kommen zwei Zeitebenen: die Gegenwart der Ermittlungen in der Killerhundattacke und ein vergangener Vorfall, bei dem IQs großer Bruder verstorben ist. Diese verschiedenen Stränge hat Joe Ide gut miteinander verbunden, zumal die Vergangenheit immer wieder für ein wenig Bodenhaftung sorgt.

Gleichermaßen gibt es in den literarischen Bezügen zwei große Anknüpfungspunkte, von denen einer bisher in der deutschsprachigen Rezeption sträflich vernachlässigt wurde: Erwähnt wird in der Regel die Verbindung zu Sherlock Holmes, die durch die Intelligenz von IQ, seine deduktiven Fähigkeiten, seinem Helfer Dodson (man denke an und spreche laut: Watson) sowie die Parallelen zum „Hund von Baskerville“ einigermaßen offensichtlich sind. Genauso steht IQ aber in der Tradition von Walter Mosleys Easy Rawlins: Wie IQ wächst auch Easy ohne Vater auf, schlägt sich als Detektiv ohne Lizenz durch Los Angeles und hält sich mit Gefälligkeiten in seiner Nachbarschaft über Wasser. Easys bester Freund Mouse ist gefährlich, kriminell – und nicht immer fühlt er sich wohl in dessen Nähe. Dieses Verhältnis spiegelt sich in der Freundschaft von IQ und Dodson. Außerdem nutzte Walter Mosley die hardboiled-Privatdetektivromane auch, um von dem Leben der Schwarzen in Los Angeles zu erzählen – und damit auf eine wichtige Unterscheidung zwischen der weißen und schwarzen hardboiled-Literatur zu verweisen: Easy konnte sich nicht so frei zwischen Gesetz und Verbrechen bewegen wie bspw. Marlowe und Spade, weil er den Freiraum eines weißen Mannes nicht zur Verfügung hatte. Joe Ide nun zeigt, dass sich im Grunde genommen seither an den strukturellen Problemen wenig geändert hat – lediglich das Ghettoleben wird nun von stinkreichen Gangsta-Rappern glamourösiert.

Insgesamt ist „IQ“ ein gelungenes Debüt mit tollen Dialogen, hervorragend übersetzt von Conny Lösch, viel Witz und gelungenen Figuren. Deshalb ist es umso erfreulicher, dass es Wiedersehen mit IQ geben wird.

Joe Ide: IQ. Übersetzt von Conny Lösch. Suhrkamp 2016.

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