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Krimi-Kritik: „30 Keller“ von Stephan Kaluza

(c) FVA

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Meisner ist reich, egozentrisch und skrupellos. Er genießt die Macht, die er über andere hat, ist stolz auf seinen Aufstieg, den er in erster Linie sich selbst und seiner Gewissenlosigkeit zu verdanken hat, und seinen Platz unter den reichsten Männern der Welt. Am Vorabend einer Operation geschieht jedoch etwas Unerwartetes: Sein angeblich nicht zu knackendes Sicherheitssystem wird überwunden und er wird entführt.

Als er in einem abgeschiedenen Kellerraum aufwacht, dessen Wände sich zu bewegen scheinen, will Meisner das Problem wie üblich mit der Zahlung von Lösegeld beseitigen. Doch schon bald wird ihm klar, dass er nicht Opfer einer üblichen Entführung geworden ist. Der Entführer Ronaldo weiß alles über ihn, kennt sogar das Bett seiner Kindheit. Außerdem erfährt er, dass mit ihm 29 ebenso reiche Männer an anderen Orten festgehalten werden.

In „30 Keller“ entwickelt Stephan Kaluka ein interessantes Gedankenkonstrukt: Was passiert, wenn bei einer Entführung die persönliche Bereicherung des Täters keine Rolle spielt? Was wäre, wenn die 30 reichsten Menschen der Welt entführt würden und bei jedem eine bestimmte Summe aus dem Vermögen einfach vernichtet und somit aus dem Geldkreislauf gezogen wird? In Dialogen spielen Meisner und sein Entführer diese Fragen durch, sie reden über den Zustand der Welt und den Einfluss von Geld, reflektieren Meisners Leben. Dadurch offenbaren sich immer mehr Ebenen in diesem Roman, die durchlässig sind und einander begegnen.

„30 Keller“ ist kein typischer Kriminalroman: die Handlung findet überwiegend in Dialogen statt – das Buch basiert auf Kaluzas Theaterstück „Absolute Zero“ –, in denen vor allem Überlegungen verhandelt werden, auch die Personen sind wenig differenziert entwickelt – Meisner ist durch und durch unsympathisch. Dadurch wird dieses Buch aber zu einer überzeugenden Parabel auf die heutige Welt, in der ein Mensch wie Meisner billigend in Kauf nimmt, dass sich seine Macht auf der Machtlosigkeit anderer gründet. Als sein Entführer ihn fragt, warum er seine 300 Milliarden Dollar nicht genutzt hat, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen, kennt Meisner kennt keine Antwort. Denn sein Reichtum speist sich aus Gewissenlosigkeit und Egoismus. Und damit ist Kaluza äußerst nah an der Wirklichkeit.

Stephan Kaluza: 30 Keller. Frankfurter Verlagsanstalt 2014.

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