Neulich im Fernsehen – Eine Kritik zu „Das blaue Sofa“

Wolfgang Herles auf dem "blauen Sofa" (c) ZDF

„Das blaue Sofa“ heißt die neue Literatursendung im ZDF, in der Wolfgang Herles mit dem von Buchmessen bekannten blauen Sofa durch die Republik reist, mit Schriftstellern spricht und Bücher vorstellt. Das Konzept klingt nicht sonderlich innovativ, zumal Denis Scheck in der ARD mit „Druckfrisch“ schon eine gute Literatursendung präsentiert, in der er ebenfalls mit Autoren an ungewöhnlichen Orten spricht. Und in der Tat lädt „Das blaue Sofa“ zu einem Vergleich mit „Druckfrisch“ nahezu ein, der allerdings alles andere als vorteilhaft für das ZDF ist. Denn die Bilder, der Schnitt, die Musik und die Kamerafahrten sind zu ähnlich – und Wolfgang Herles ist weit weniger charismatisch als Denis Scheck. Hinsichtlich der Originalität liegt „Druckfrisch“ also eindeutig vorne. Doch wie schneidet die Sendung ohne den Vergleich ab?

Zu Beginn der Sendung sprach Wolfgang Herles mit Ilja Trojanowa über dessen neuen Roman „Eistau“, in dem ein Wissenschaftler reiche Touristen durch die Antarktis führt, dabei aber an dem Umstand verzweifelt, dass sie auf diese Weise zum Verschwinden der Gletscher beitragen. Als Gesprächsort wählte Herles einen Gletscher, auf dem Trojanow und er mit Sonnenbrillen auf dem besagten blauen Sofa saßen und sich unterhielten. Diese – auch noch völlig ironiefreie Ortswahl – ist nicht nur mir aufgestoßen, sondern wird unter anderem auch von Stefan Kuzmany bei SPON und Wolfgang Tischler im Literaturcafé moniert. Zumal es außerdem ausgesprochen unglücklich ist, wenn der Moderator und sein Gast Sonnenbrillen tragen (die auf einem Gletscher fraglos notwendig sind). Aber abgesehen davon, war das Gespräch mit Ilja Trojanow sehr interessanter. Er hat wirklich etwas zu sagen und antwortet souverän, ohne dass seine Antworten vorbereitet klingen.

Wolfgang Herles (c) ZDF

Darüber hinaus haben mir auch die Kritiken zu den Büchern gut gefallen – wenngleich ich keines der Bücher kenne, mich also hier von dem Urteil von Wolfang Herles leiten lassen mussen. Aber eine Literatursendung soll den Zuschauern Orientierung über Bücher vermitteln und diesem Anspruch wird die Sendung durchaus gerecht. Insbesondere bei dem Verriss von Oskar Roehlers „Herkunft“ war die Kritik anhand der eingeblendeten Textbeispiele nachzuvollziehen, wenngleich diese Einblendungen beim Vorlesen an sich entbehrlich sind. Denn meisten liest Wolfang Herles ohnehin nur ein oder zwei Sätze. Gänzlich überflüssig sind die Einspielfilmchen zu den vorgelesen Textstellen. Denn sollte nicht wenigstens eine Literatursendung auf die Wirkmacht von Worten vertrauen?

Insgesamt ist „Das blaue Sofa“ sicherlich nicht der große Wurf, mir gefällt die Sendung aber besser als „Die Vorleser“ – und ein wirklicher Fan von „Lesen!“ war ich auch nie. Dennoch habe ich die Frage gestellt, warum sich keiner der Sender an eines frischeres Konzept herantraut. Im Vorfeld der Sendung gab es bei LovelyBooks eine kleine Diskussion, wie eine gute Literatursendung auszusehen hat. Und unter den dortigen Stimmen, die sicherlich nicht alle dieselbe Literatur bevorzugen, herrschte erstaunliche Einigkeit: Den Büchern sollte viel Raum gegeben werden – und es sollte eine Diskussion stattfinden. Sicherlich klingt es nach den guten alten „Literarischen Quartett“-Zeiten, doch warum sollte ein ähnliches Konzept mit frischen, mutigen Kritikerstimmen, Autoren und vielleicht auch Verlegern nicht auch im öffentlich-rechtlichen Hauptprogramm zu einer halbwegs vernünftigen Sendezeit funktionieren?

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