Buch und DVD: „Die Tribute von Panem – The Hunger Games“

Hypes stehe ich sehr skeptisch gegenüber und auch Jugendbücher lese ich eher selten. Daher ist beispielsweise Harry Potter völlig an mir vorbeigegangen. Und vermutlich hätte ich auch den „Tributen von Panem“ wenig Aufmerksamkeit geschenkt, wenn ich nicht seit einem guten Jahr verstärkt über Literaturverfilmungen schreiben würde – und die von mir seit „Winter’s Bone“ geschätzte Jennifer Lawrence nicht die Hauptrolle übernommen hätte. Nun ist die Verfilmung auf DVD erschienen.

Die Hungerspiele – Gesellschaftskritik und Utopie

(c) Oettinger

Suzanne Collins entwirft in ihrem Buch „Die Tribute von Panem – Tödliche Spiele“ ein düsteres Zukunftsszenario: Nordamerika wurde durch den Klimawandel und Kriege zerstört, seither ist das Land in zwölf Distrikte eingeteilt, über die das dekadente Kapitol herrscht. Als Mahnung für einen zurückliegenden Aufstand eines 13. Distrikts werden jedes Jahr die Hungerspiele veranstaltet. Hierfür werden bei der „Ernte” aus jedem Distrikt ein Junge und ein Mädchen zwischen zwölf und 18 Jahren als Tribute ausgelost. An einem unbekannten Ort kämpfen sie dann solange gegeneinander, bis nur noch einer von ihnen am Leben ist. Als nun ihre kleine Schwester Primrose ausgelost wird, meldet sich 16-jährige Katniss Everdeen freiwillig – und stellt sich mit dem männlichen Tribut Peeta Mellark den todbringenden Spielen.

Katniss (Jennifer Lawrence) und Gale (Liam Hemsworth) bei der Jagd (c) Studiocanal

Rund um die Hungerspiele erzählt Suzanne Collins in dem ersten Band der „Panem“-Trilogie von dem Alltag in dieser Zeit. Katniss lebt in bitterer Armut im zwölften Distrikt, der für Bergbau steht. Ihr Vater starb bei einem Grubenunglück, seither ist ihre Mutter apathisch und Katniss musste sich alleine um die Familie kümmern. Damit sie etwas zu essen haben, geht sie mit ihrem Jugendfreund Gale verbotenerweise jagen und tauscht die erbeutenden Eichhörnchen gegen andere Gebrauchsgüter ein. Sie ist klug, geschickt und clever – und wird im Verlauf der Hungerspiele von dem Präsidenten Snow zunehmend als Bedrohung empfunden. Katniss hat verstanden, dass sie ein Teil der Inszenierung werden muss und letztlich den Spielmacher übertölpelt. Da sie ein Mädchen aus einem armen Distrikt ist, könnte sie durch ihren Mut die Bewohner abermals zu einem Aufstand anstacheln. Und das ist die größte Angst des Kapitol, wegen der es dieses perverse Spiel der Unterdrückung überhaupt ersinnt hat.

Das von Suzanne Collins entworfene Szenario ist nicht unrealistisch. Ein Blick in die Geschichte genügt, um Beispiele für die Unterdrückung äußerer Bezirke durch eine dekadente Hauptstadt zu finden. Daneben steckt aber in diesem ersten Teil auch eine deutliche Medienkritik: Das grausame Gemetzel ist ein inszeniertes Spektakel, in dem junge Menschen zum Vergnügen der reichen und überheblichen Zuschauer in den Tod geschickt werden. Die Bedingungen sind alles andere als fair, da der Spielmacher die äußeren Umstände, die Landschaft und sogar die Regeln nach Belieben manipulieren kann.

Die Grundidee der „Tribute von Panem“ ist nicht neu – in Kritiken und auch Blogs wurden immer wieder auf die Parallelen zu dem japanischen Roman „Battle Royale“ hingewiesen, der von einer identischen Prämisse ausgehe. Auch ist Suzanne Collins Schreibstil einfach, mit kurzen Sätzen und missglückten Bildern, die Handlung hat Längen und wird oftmals vereinfacht. Dennoch ist dieser erste Band der „Panem“-Reihe spannend und zügig zu lesen. Denn Suzanne Collins hat mit Katniss Everdeen eine komplexe und starke Hauptfigur geschaffen, die sich icht von der Liebe oder einen Mann eine Besserung ihres Lebens oder gar die Rettung erhofft. Sie weiß, dass sie selbst stark sein muss – und ihr Überleben letztlich von ihr selbst abhängt. Daher ist sie diejenige die jagt, während Peeta die Beeren sammelt. Da sie die Geschichte aus ihrer Perspektive erzählt, entsteht während der Lektüre eine starke Bindung zu Katniss, die mit ihr leiden, hadern und kämpfen lässt.

„Hunger Games” – Die Verfilmung von Gary Ross

Katniss (Jennifer Lawrence) (c) Studiocanal

Die Verfilmung des Buches durch Gary Ross hängt daher sehr von der Hauptdarstellerin Jennifer Lawrence und ihren Fähigkeiten ab, ohne die literarische Möglichkeit der Inneneinsicht eine ähnliche Nähe zu den Zuschauern aufzubauen. Und Jennifer Lawrence macht ihre Sache sehr gut: Ihr reicht ein Blick, um die Skepsis von Katniss auszudrücken, auch ihre Zweifel gegenüber Peeta (blass: Josh Hutcherson) werden von ihr deutlich gemacht. Sie ist überzeugend als Jägerin – und letztlich Überlebende.

Gale (Liam Hemsworth) (c) Studiocanal

Aber auch Jennifer Lawrence kann nur bedingt über die Schwächen des Films hinwegtäuschen. Dazu zählt vor allem, dass er eindeutig als erster Teil einer Reihe angelegt ist. Zu viele Handlungsstränge werden angerissen und viele Geschichten werden nur angedeutet. Während im Buch Katniss’ Freund Gale (Liam Hemsworth) als ihre Stütze und ihr Verbündeter fungiert, fragt man sich im Film, warum dieser junge Mann ständig eingeblendet wird. Hier hätte das Drehbuch eine stärkere Gewichtung zugunsten der Hungerspiele und Gesellschaftskritik vornehmen sollen, damit der Film auch ohne mögliche Fortsetzungen bestehen kann. Auch die Bedeutung der Sponsoren wird im Verlauf des Films etwas aus den Augen verloren. Im Buch wird mehrfach angesprochen, dass die Tribute aus den reichen Distrikten nicht nur speziell für die Hungerspiele ausgebildet werden, sondern auch von vielen Sponsoren unterstützt werden. Dadurch bekommen sie die Utensilien, die sie dringend benötigen. Im Film ist lediglich zu sehen, wie Haymitch (Woody Harrelson) mit einige Leuten spricht, ihnen die Hände schüttelt und dann bekommt Katniss Salbe, beim zweiten Mal Suppe. Das ist etwas zu einfach – zumal auch nicht gezeigt wird, dass andere Tribute etwas bekommen und nicht deutlich wird, dass die Spiele mehrere Wochen dauern.

Dagegen ist die Manipulation hinter den Hungerspielen sehr gut herausgearbeitet. Dazu zählen die wenigen Szenen mit Donald Sutherland als Präsident Snow, dessen Aura in den Gesprächen im Rosengarten und durch das Verhalten seines Umfeldes spürbar wird. Aber auch der Einfall, den Spielmacher (Wes Bentley) mit Technikern in einem runden Regieraum zu zeigen, in dem sie auf Karten die Tribute verfolgen und durch den gezielte Manipulationen eingreifen. Sie steuern die Tageszeiten und sorgen beispielsweise durch ein Feuer dafür, dass sich Katniss nicht allzu lange in Sicherheit wähnt. Dieses Vorgehen lässt nicht in Vergessenheit geraten, dass Willkür eine Prämisse dieses Spiels ist. Auch die Inszenierung der tatsächlichen Hungerspiele ist gelungen. Durch die Handkamera wird die Desorientierung der Tribute nachvollziehbar, außerdem zeigt das Gemetzel gleich zu Beginn, dass es wirklich um Leben und Tod geht. Dagegen wäre bei der Inszenierung der Welt des Kapitols ein visueller Überfluss möglich gewesen, den Gary Ross und das Produktionsdesign kaum ausnutzen. Vielmehr bleiben sie hier bei einer Mischung aus „Marie Antoinette“ und Star-Wars-Troopern.

Insgesamt ist die Verfilmung trotz einiger Längen und der konventionellen Inszenierung unterhalsam. Vor allem schaut man dieser Heldin einfach gerne zu. Es bleibt die Hoffen, dass die nächsten Teile an diesen Film anknüpfen können. „Catching Fire” soll am 28. November 2013 in die deutschen Kinos kommen.

(c) Studiocanal

Die Extras der DVD
Gelungen ist die Menüführung der DVD, die an den Regieraum der Hungerspiele erinnert. Dagegen ist die in der Special Edition beigefügte zweite DVD mit Extras nur auf den ersten Blick vielversprechend. Sie enthält weitgehend die üblichen begeisterten Interviews mit dem Filmemachern und Schauspielern, außerdem einige Aufnahmen von den Darstellern der anderen Tribute. Wenngleich es ganz unterhaltsam ist, auch mal die weniger bekannten Schauspieler zu hören und zu erleben und mehr über die Kleidung zu erfahren, sind diese Extras wohl nur für sehr große Fans des Films interessant.

(c) Oettinger

Sprachfassung
Obwohl ich Filme meist im Original gucke, lohnt sich in diesem Fall auch die deutsche Sprachfassung. Katniss wird von Maria Koschny gesprochen, die bereits die empfehlenswerten Hörbücher der Reihe gelesen hat. Für Kenner der Hörbücher stellt sich daher sofort ein Gefühl der Vertrautheit ein.

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3 Gedanken zu „Buch und DVD: „Die Tribute von Panem – The Hunger Games“

  1. Wulf | Medienjournal

    Na da sind wir uns doch (die Verfilmung betreffend) in einigen Punkten mehr als einig, was Gale, die Sponsoren und die Gespräche im Rosengarten angeht (Vgl. meine Film-Review).

    Überraschend für mich, dass du ihn trotzdem als sehenswert einstufst. Aber das wird wohl daran liegen, dass du die Bücher kennst und leichter Zugang zu den Figuren gefunden hast, die mir doch allesamt recht blass erschienen sind.

    Ansonsten aber ein schöner Artikel und eine tolle Idee, hier Buch und Film direkt gegenüber zu stellen! Ich mache das ja auch recht gerne, aber da liegen zwischen den jeweiligen Artikeln gern mal Monate 8-D

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  2. Zeilenkino Beitragsautor

    Unterhaltsam war er für mich vor allem aufgrund der meiner Meinung nach sehr guten Leistung von Jennifer Lawrence. Allerdings stimme ich Dir voll und ganz zu, dass der Film sehr stark darauf setzt, dass man das Buch bereits kennt. Und das finde ich schade, da ein Film ja trotz des Bemühens, die Altersfreigabe PG-13 zu bekommen, ganz andere Möglichkeiten hat. Zumal bei dem doch recht großzügigen Budget. 😉

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  3. Pingback: Review: Die Tribute von Panem – The Hunger Games (Film)

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